Kurz nach 19 Uhr sind wir in dem Lokal eingetroffen, da waren wir die einzigen. Nun ist jeder Tisch in dem kleinen Lokal besetzt und selbst zum WC kommt man nur noch mit viel Akrobatik. Die beiden Musiker haben ihre Plätze eingenommen und einer der beiden Kellner macht eine Ansage auf portugiesisch (und gibt uns Zeichen, wann wir zu klatschen haben). Dann betritt eine kleine, zierliche Dame mit weißen Haaren die Bühne, d.h. den einen Quadratmeter, der nicht mit Tischen und Stühlen zugestellt ist. Eine Stimme erfüllt den Raum, die man weder diesem Körper noch diesem Alter zugetraut hätte: tief und kräftig erzählt sie die Geschichte des Fado und zieht alle in ihren Bann.
Als nächstes betritt ein junger Mann mit dem Gesicht eines arabischen Prinzen den Raum. Sein melancholischer Gesichtsausdruck trägt das Leiden der Menschheit in sich – und er weiß, dass er dabei verdammt gut aussieht. Klar und kräftig ist sein Gesang.
Vor dem Lokal kläfft ein Hund und einer der Kellner, der am Eingang mit Argusaugen darüber wacht, dass niemand durch zu laute Gespräche die Darbietung stört, schließt die Tür. Dann serviert er am Tisch vor uns zwei Speisen, dreht sich plötzlich um und stimmt mit rauer, kehliger Stimme in den Gesang ein. Wenig später denkt niemand mehr ans Bestellen, sondern lauscht fasziniert dem Zwiegesang der beiden Kellner und ist gefangen in der Melancholie des Fado.

Zwei Stunden später: langsam leert sich das Lokal, und während die Kellner wieder ganz Kellner sind und schon die Tische für den nächsten Tag aufdecken, erfreut uns die Diva noch einmal mit ihrem Gesang und flirtet mit den Brasilianern am Tisch vor uns.
Mittlerweile sind wir beim dritten Krug Hauswein. Kann sein, dass wir
morgen büßen werden, bereuen werden wir den Abend nicht…