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Der Wind peitscht mir den kalten Regen ins Gesicht, die Wellen schlagen gegen den viel zu wackeligen Rand des Schlauchbootes, auf dem ich sitze. Meine Mit-Leidensgenossen sind wie ich bis zur Unkenntlichkeit vermummt. Nur Günter neben mir ist an den Wäscheklammern, mit denen er seine Regenkapuze befestigt hat, zu erkennen, und Bernds leuchtend gelber Regenhut im Boot vor uns erzeugt die schwache Illusion von Sonnenschein.
Von vorne kommt das Kommando „Paddle forward!“ und wir tauchen die Paddel in das milchige Wasser des Gletscherflusses. Nach zwei Minuten melden sich schon meine Armmuskeln von der ungewohnten Bewegung. Fünf Tage auf dem Fluss und die Nächte im kalten Zelt! Das kann ja heiter werden, wenn das Wetter so bleibt.
Als wir gegen Mittag auf einer Sandbank anlegen, sind meine angeblich wasserdichten Handschuhe völlig durchnässt, und in meine Zehen kommt erst nach einigen Schritten auf festem Boden wieder etwas Gefühl. Doch unsere Guides sind wohl Regen gewohnt und spannen mithilfe der Ruder und etwas Treibholz eine Plane, unter der wir unsere Sandwiches im Trockenen schmieren können. Sogar ein kleines Lagerfeuer gibt es, an dem wir uns die Hände wärmen können.
Der Regen hat mittlerweile aufgehört und wir lassen unser Boot von der Strömung treiben. Bis auf das Rauschen des Flusses ist es still. Rechts und links ragen Berghänge aus dem Wasser, teils grün mit Tannen bewachsen, felsig in den höheren Regionen. Die Wolkendecke vor uns reißt etwas auf und lässt das blaue Eis des Gletschers auf einer Bergflanke vor uns durchschimmern. Neben mir deutet Ursula auf das Wasser vor uns: ein Seehund streckt seinen Kopf aus dem Wasser und beäugt neugierig das Boot mit seinen Insassen, und taucht auch schon wieder elegant unter. Kurz darauf zieht ein Seeadler seine Kreise über dem breiten Fluss.
Wir sitzen still und lauschen den Geräuschen der Wasserwirbel am Ufer, ergriffen von der überwältigenden Natur, die uns umgibt. Zwei kleine Schlauchboote auf einem riesigen Fluss, ihm ausgeliefert mit all seiner Schönheit und seinen Launen. Fünf Tage nur?
(Alaska, August 2015)