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Wir sind auf dem Weg zum Cismigiu Park, dem größten und ältesten Park in Bukarest. Die meisten Straßen sind noch spärlich befahren an diesem sonnigen Sonntagmorgen und auf dem breiten Victoria Boulevard sehen die wenigen Autos, die schon unterwegs sind, etwas verloren aus. Dagegen wimmelt es im Park von Menschen. Familien mit Kindern, händchenhaltende Paare und ein paar Senioren sind auf den vielen Wegen unterwegs. Kleine Boote, in denen der Junior im Bug dem rudernden Papa die Richtung vorgibt, bevölkern den See in der Mitte des Parks. In einem Nebenarm trocknen schwarze Schwäne ihr Gefieder und Mandarin-Enten strecken ihre goldenen Schwänzchen auf der Suche nach Essbarem auf dem Teichgrund in die Höhe.
Der Wind weht Musik zu uns herüber und dann stehen wir auch schon vor einer kleinen Bühne, auf der Mädchen in silbernen Kleidchen mehr oder weniger synchron zu Disco-Musik tanzen. Zwei Buben stehen auch verloren dazwischen und versuchen, den Bewegungen der kleinen Tänzerinnen zu folgen. Vor der Bühne viele stolze Mamas und Papas mit jüngeren Geschwisterchen auf den Schultern.
Ein Stückchen weiter kann mit bunten Comics Englisch lernen, rechts davon werden Kindergesichter bemalt und auf der nächsten Lichtung versuchen Kinder unter Anleitung Origami-Schwäne zu falten. Man hat das Gefühl, dass auch der kleinste Fleck der grünen Oase für Freizeitaktivitäten genutzt wird.
Der Park spuckt uns in eine stille Seitenstraße aus, deren Wände mit bunten Graffitis geschmückt sind. An der nächsten größeren Kreuzung entdecken wir unverhofft ein großes Wandgemälde vom einem Graffiti-Künstler, von dem wir vor zwei Tagen während der alternativen Stadtführung gehört haben.
Wir schlendern durch die immer noch ruhigen Straßen Richtung Athenäum, das wir von innen besichtigen wollen. Doch auf dem Vorplatz bremst uns die Technology Week, die gerade in kleinen Zelten stattfindet, Eintritt frei. Nachdem uns eine der netten Damen geholfen hat, an einem der Laptops das rumänische Formular für die Registrierung auszufüllen, haben wir auch schon unseren Batch und können uns ins Gewühl stürzen. Wir probieren eine Kamera aus, die gleich das Foto ausdruckt (gab’s das nicht schon mal?), bewundern eine Drohne (ganz schön groß), fragen uns, zu was die vielen kleinen Roboter gut sind, überlegen kurz, ob ich mir auch die VR Brille aufsetzen soll und schauen 3D Druckern beim Aufbau ihrer Türmchen zu. Dann gönnen wir uns noch einen Kaffee, bevor wir dann doch in Richtung Athenäum gehen.
Nachdem wir den etwas versteckten Seiteneingang gefunden haben, müssen wir nur noch an dem streng blickenden Herrn vorbei, der dort vor einem alten Röhren-Fernseher sitzt. Er verlässt kurz das Gerät, um unseren Eintritt zu kassieren und deutet dann auf eine Tür, mit dem Hinweis leise zu sein. Wir steigen eine ausladende Wendeltreppe hinauf während die Orchestermusik immer lauter wird. Schließlich schleichen wir auf Zehenspitzen in den runden, dunklen Theaterraum, auf dessen erleuchteter Bühne wohl das komplette Philharmonische Orchester von Bukarest sitzt und für die nächste Vorstellung probt. Andächtig setzen wir uns in zwei der roten Samtsessel und lauschen der Musik, die den ganzen Saal füllt. Dabei wandern unsere Blicke über die runden Wände, die mit Szenen aus der Geschichte des rumänischen Volkes bemalt sind.
Als wir nach einer halben Stunde wieder blinzelnd auf die sonnige Straße treten, ist es fast so, als tauchen wir aus einer fremden Welt wieder in der Wirklichkeit auf.
Nun zieht es uns in die Altstadt, wo schon ein kühles Bier mit Mici und Sarmales auf uns wartet.
(Bukarest, Mai 2016)