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Das Getriebe ächzt als der Fahrer einen Gang runterschaltet, gleich darauf gefolgt vom Stöhnen meiner Mitreisenden beim Rumpeln durch das nächste Schlagloch. Als der Bus vor einer Stunde von der schmalen, aber immerhin asphaltierten Straße in den Feldweg abbog, glaubten wir noch an eine schnelle Abkürzung. Mittlerweile ist uns klar, dass die Fahrspur vor uns, die sich ihren Weg durch die Steppe bahnt, der Hauptverkehrsweg auf unserer Fahrt Richtung Süden ist.
Dunkle Wolken hängen schon den ganzen Vormittag tief über dem Horizont und die düstere Stimmung lässt die gelb braunen Hügel um uns noch etwas unwirklicher erscheinen. Gerade quält sich der Bus über eine kleine Anhöhe und vor uns öffnet sich ein weiteres, endloses Tal, durchzogen von ein paar Reifenspuren und den dünnen Strommasten, die uns auf unserer Fahrt begleiten.
Links taucht eine Kuhherde auf und die Tiere heben neugierig den Kopf, um sich das seltsame Gefährt mit seinen langnasigen Insassen genauer anzuschauen. Selbst für sie scheinen wir eine willkommene Abwechslung im Steppen-Einerlei zu sein.
Ein weißer Punkt rechts von uns entpuppt sich als Jurte mit einer Pferdekoppel und unser Bus verlässt den Feldweg und steuert nun über den holprigen Boden direkt darauf zu. Die bunt bemalte Tür des weißen Zeltes öffnet sich und zwei kleine Buben schauen neugierig heraus. Bewacht von einem mächtigen Hirtenhund, der selbst den dreijährigen überragt. Wir steigen mit steifen Gliedern aus dem Bus und werden vom allgegenwärtigen, kühlen Wind begrüßt, der uns die Reißverschlüsse unserer bunten Jacken weiter hochziehen lässt.
Mit eingezogenen Köpfen treten wir vorsichtig durch die niedrige Tür in die Jurte und reihen uns zu beiden Seiten des kleinen Ofens an der runden Wand auf. Die junge Nomadenfrau rührt in einem großen, blauen Plastikfass und füllt dann einen Glaskrug mit Airag, vergorener Stutenmilch. Die vom Hausherrn randvoll gefüllte Schale wird mit beiden Händen dem ersten aus der Gruppe gereicht. Schmeckt säuerlich und ein bisschen nach Buttermilch – der Alkohol macht die Milch haltbar, die alle zwei bis drei Stunden von den Stuten draußen gemolken wird.
Fasziniert bestaunen wir, wie der gesamte Hausrat in diesem Zelt Platz findet: rechts auf der Frauenseite die „Küche“ und links am Beginn der Männerseite das Waschzeug, zwei Betten und in der Mitte gegenüber der Tür der Hausaltar. Dazwischen kleinere, bunt bemalte Holzschränke für Kleidung und Zaumzeug, und an der Decke hängt noch ein Telefon.
Als wir wieder nach draußen treten, um beim Melken der Stuten zuzuschauen, fängt es an zu tröpfeln. Am gegenüberliegenden Hügel bewegen sich weiße Punkte langsam Richtung Horizont: 1400 Schafe gehören auch zum Besitz dieser kleinen Familie. Die Herde wird jeden Abend wieder zusammengetrieben und zur Jurte zurück geholt, um sich am nächsten Morgen dann wieder in eine Himmelsrichtung zu zerstreuen.
Ein karges und einsames Leben in dieser rauen Umgebung. Bestimmt von den endlosen gelben Hügeln, die Weidegrund und Lebensraum bieten, die in der Sonne fast wie Gold leuchten und unter den grauen Wolken wie ein wogendes Meer erscheinen, das alles mit sich fortträgt.
(Mongolei, September 2016)