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Unterwegs & Anderswo

~ Kalinkas Geschichten

Unterwegs & Anderswo

Monatsarchiv: Februar 2020

Die rote Stadt

10 Montag Feb 2020

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Nepal

Ich habe das Gefühl, inmitten einer riesigen Baustelle zu stehen: links umhüllt ein Bambusgerüst eine große Ansammlung von Steinen und Ziegeln, daneben schauen ein paar steinerne Elefanten unter eine Plastikplane hervor, eine Steinmauer ist mit Rissen durchzogen und wird von großen Holzlatten gestützt. Und dazwischen jede Menge Touristen, die am Goldenen Tor neben dem Palast der 55 Fenster Schlange stehen, sich für Selfies vor den Tempeln in Pose werfen oder ihre Kinder auf die Steinpferde der Stufen des Siddhi Lakshmi Tempels setzen, die nur noch zu einer Ruine hinaufführen. Ein paar Erschöpfte nutzen die späte Nachmittagssonne für ein Schläfchen vor den Tempeltüren. Und natürlich Tauben, die in Scharen auf den roten Ziegeldächern der Tempel die warmen Strahlen genießen.

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Der Durbar Square in Bhaktapur ist immer noch Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt, auch wenn das UNESCO-Weltkulturerbe bei dem schweren Erdbeben von 2015 einige Schäden erlitten hat. Die Aufbauarbeiten sind mittlerweile wieder in Gange (natürlich mit chinesischer Unterstützung), werden aber sicher wohl noch einige Jahre dauern. Das etwas chaotische erscheinende Sammelsurium an unversehrten, eingestürzten und im Aufbau befindlichen Gebäuden mindert die Faszination des Ortes aber keineswegs.

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Inmitten des Platzes bleibe ich stehen, atme erst einmal tief durch. Unser Guide hat uns in den letzten zwei Stunden im flotten Tempo durch die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten geschleust. Nun brauche ich erst einmal etwas Zeit und Ruhe, um die ganzen Eindrücke zu verarbeiten.

Wenn man Nepal hört, dann denkt man in erster Linie an hohe, schneebedeckte Berge, vor denen bunte Gebetsfahnen im Wind flattern. Diesen Reichtum an Handwerkskunst, Tempeln und buntem Leben hatte ich nicht erwartet.

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Kunstvolle Schnitzereien aus Holz schmücken nicht nur die 55 Fenster des Palastes und die liebevoll geschmückten Tore der Tempel, sondern auch viele Häuser in den engen Gassen der Altstadt. Und hier, in den Gassen, spielt sich auch das wirkliche Leben ab: auf den Straßen sieht man überall Gruppen von Leuten, die Tee trinken, Carrom (eine Art Tisch-Billard) spielen, die letzten Strahlen der Abendsonne genießen, angeregt diskutieren oder ihre Waren anbieten.

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Rot ist die vorherrschende Farbe: die roten Ziegel der Häuser leuchten im warmen Licht der untergehenden Sonne, die zum Verkauf angebotenen Stoffe strahlen in unterschiedlichen Rottönen. Die Statuen der zahllosen kleinen Tempel, die sich einem in den schmalen Gassen immer wieder in den Weg stellen, sind mit roter Farbe beschmiert. Das gleiche Rot sehe ich auf der Stirn vieler, die mir in dem Labyrinth der niedrigen Häuser entgegenkommen. Längst habe ich die Orientierung verloren und lande nur per Zufall am Pottery-Quare, wo die Töpfer ihre tönernen Waren ausgebreitet haben. Auch hier dominiert die Farbe Rot in allen Schattierungen.

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Die nächste Kreuzung mündet in einen kleinen Platz, wo Frauen auf Tüchern am Boden Gemüse zum Verkauf ausgebreitet haben. Ihre roten Wollmützen leuchten in der Menge. Vor dem Tempel, der den Platz überragt, kann man noch rote Blutlachen der Opfertiere erkennen. Daneben nagen ein paar Hunde an großen Knochen – wohl Überreste vom Markttag.

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Langsam macht sich die Dämmerung breit und ich schlage die Richtung ein, in der ich mein Hotel vermute. Mit dem Verschwinden der Sonne kriecht auch die Kälte wieder aus den Häuserritzen, und entlang der Straße sieht man nun kleine Feuer, um die sich Grüppchen von Menschen scharen. Der orange-rote Schein der Flammen, deren lange Finger die Dunkelheit durchbrechen, begleitet mich auf meinem Weg durch die verschlungenen Gassen.

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(Nepal, Dezember 2019)

Im Dschungel von Bukarest

05 Mittwoch Feb 2020

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Rumänien

Die Sonne steht schon tief, als wir endlich unser Ziel erreichen. Allerdings sind wir uns gar nicht so sicher, ob das, was wir vor uns sehen, wirklich das Ende unserer Odyssee durch Parks und Betonblöcke im Südosten der Stadt ist. Als grüne Oase inmitten der Millionenstadt Bukarest wird der Naturpark Văcărești in diversen Führern und auf Webseiten beschrieben. Nun stehen wir auf einem Betondamm, den wir über einen versteckten Pfad erklommen haben. Vor uns geht es abwärts, zwar sanft abfallend, aber doch 20 Meter über große Betonplatten. Am Ende des Betons beginnt die Wildnis. Hohes Gras, Gestrüpp und Bäume. Keine Spur von einem See, der sich hier verbergen soll.

Etwas ratlos schauen wir uns um und entdecken ein paar Meter weiter eine wackelige Holzleiter, die das steilste Stück des Damms nach unten überwindet. Ein Steg führt über den Beton weiter nach unten. An dessen Ende ist schwach ein Trampelpfad zu erkennen, der sich im Gestrüpp verliert. Kein Mensch ist zu sehen, obwohl wir vor gut 10 Minuten noch mitten im Verkehr der Großstadt unterwegs waren.

Irgendwie hatten wir uns das mit dem Naturpark anders vorgestellt…

Aber nachdem wir ihn nun endlich gefunden haben, wollen wir auch wissen, was sich dahinter verbirgt. Also klettern wir die Leiter hinunter, folgen dem kleinen Weg und befinden uns ein paar Meter weiter in einer anderen Welt.

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Mit jedem Schritt wird das Rauschen der Stadt schwächer, bis er schließlich ganz verstummt. Wir sind von mannshohem Gras, Disteln und Schilf umgeben. Stattliche Weiden und umgestürzte Stämme säumen den Weg. Am Horizont erheben sich Schornsteine hinter den Blütenständen der Gräser. Ein einsamer Spaziergänger mit Kamera kommt uns entgegen, murmelt einen unverständlichen Gruß und ist wieder verschwunden. Hinter uns leuchten die Hochhäuser am Rande des Damms im Abendlicht, drohen im Dickicht der Wildnis zu verschwinden. Wir folgen den kleinen Trampelpfaden, auf der Suche nach den drei großen Seen, die das Herzstück des Parks bilden sollen.

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1986 sollte auf diesem Areal ein gigantisches Wasserreservoir errichtet werden, um die Überschwemmungen der  Stadt in den Griff zu bekommen. Der Sturz des Ceauşescu-Regimes und ein Konstruktionsfehler der Ingenieure bereitete dem Projekt ein jähes Ende. In den folgenden zwanzig Jahren war die Baustelle sich selbst überlassen und die Natur hat sich auf beeindruckende Weise das Gebiet zurück erobert. Durch unterirdische Verbindungen zum Grundwasser entstanden drei Seen, mehr als 100 Vogelarten sind hier zu finden und sogar Fischotter wurden gesichtet. Einer Gruppe von hartnäckigen Umweltaktivisten ist es zu verdanken, dass das 184 Hektar große Gebiet im Jahr 2014 schließlich zum Naturschutzgebiet erklärt wurde.

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Bevor die Sonne endgültig am Horizont verschwindet, entdecken wir den ersten See.  Gut versteckt im dichten Schilf und auch nur querfeldein zu erreichen, liegt er friedlich im Abendlicht. Und kurz darauf folgt der nächste. Hier gibt es sogar eine kleine Aussichtsplattform und wir haben freie Sicht auf das andere Ende des Parks und die nächsten Betonbauten. Man hat den Eindruck, als hätte die Stadt das Land hinter dem Betondamm vergessen. Das städtische Leben spielt sich ein paar hundert Meter weiter in den „richtigen“ Parks mit Bänken, Kinderspielplätzen und Verkaufsbuden ab. Hier regiert die Natur und ein bisschen fühlt man sich wie ein Eindringling in dieser kleinen Welt. Die Dämmerung macht sich breit, wir können den schmalen Pfad kaum noch erkennen und orientieren uns an den Silhouetten der dunklen Stadttürme, die den Anschein von düsteren Kriegern erwecken. Langsam klettern wir die groben Betonplatten hoch, der Verkehrslärm holt uns wieder ein und wir überlassen den Park wieder sich selbst und der Natur.

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(Rumänien, September 2019)

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