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Dunkle Rauchschwaden steigen hinter den Toren zum Tempel-Komplex des Pashupatinath auf. Einige Touristen stehen vor dem Eingang, etwas unschlüssig. Auch ich bin etwas zögerlich, als wir durch das Eingangstor das Gelände betreten und der Quelle des Rauches näherkommen. Wir folgen dem Bagmati-Fluss, der als heilig gilt und am Ende seiner Reise in Indien in den Ganges mündet.
Viele Pilger sind mit uns unterwegs. Ein Sadhu – Wandermönche, die in Askese leben – in leuchtend gelbem Gewand, mit langem Bart und bemaltem Gesicht sitzt auf einer der Stufen und genießt die Nachmittagssonne. Ein paar Affen springen zwischen den kleinen Tempeln herum, wohl auf der Suche nach etwas Essbarem, das sie einem unaufmerksamen Touristen abluchsen können.
Auch ich muss gestehen, dass meine Aufmerksamkeit sich auf das gegenüberliegenden Ufer konzentriert und nicht auf die frechen Affen: entlang des Wassers brennen kleine Scheiterhaufen, teilweise sind noch die bunten Blumengirlanden und orangen Tücher der Bündel auf ihnen zu erkennen. Auf den sogenannten Ghats auf den Treppen am Fluss werden die Toten der Hindus verbrannt. Die dunklen Rauchsäulen zeichnen Muster in die Sonnenstrahlen, verleihen dem Ganzen eine mystische Stimmung. Ich wage kaum, zu atmen. Erwarte den Geruch von verbranntem Fleisch, der unweigerlich in der Luft liegen muss. Doch ich schmecke nur den Rauch, vermischt mit dem leicht fauligen Geruch des Wassers, das träge durch den Kanal fließt. Ein Affe benutzt die im Fluss treibenden Holzscheite als Brücke, hält kurz inne, um das Treiben auf der anderen Seite zu beobachten.
Seltsam still ist es. Ein paar Angehörige stehen und sitzen an den Feuern, aber eher in stiller Andacht als in lautem Wehklagen. Wer hier verbrannt wird, hat größere Chancen, als Mensch wiedergeboren zu werden. Ganz rechts sieht man ein noch unversehrtes Bündel, in Tücher gewickelt und mit zahlreichen Blumenkränzen bedeckt. Fast komme ich mir wie ein Eindringling vor. Doch den Touristen ist sowieso der Eintritt in den inneren Bereich des Tempels verwehrt, um die Trauernden nicht zu stören.
„Irgendwie friedlich“, geht es mir durch den Kopf. Der dunkle Rauch strebt Richtung Sonne, nimmt die Seelen der Verstorbenen mit sich, trägt sie hinauf in das nächste, hoffentlich bessere, Leben. Und lässt alles Irdische hinter sich, zurück bleibt nur ein Häuflein dunkler Asche, das der Fluss dann mit sich nimmt.
(Nepal, Januar 2020)