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Wenn wir nicht den Tipp bekommen hätten, wären wir an der Tür achtlos vorbei gegangen. Sie sieht eher aus wie der Hintereingang oder ein Tor für Lieferanten, geschlossen und abweisend. Nur das große, grüne Schild mit der Liste an Geboten und Verboten auf Englisch und Arabisch lässt erahnen, was sich hinter der großen Metalltür verbirgt. Angemessene Kleidung, Mindestalter 21, Getränke dürfen nicht mit nach draußen genommen werden, keine Fotos oder Videos…
Wir wagen es und stemmen uns gegen die rote Tür. Sie schwingt auf und durch einen dunklen Flur gelangen wir in den Gastraum. Düsteres Licht und dichte Rauchschwaden umhüllen uns. An den weit verstreuten Tischen sitzen Männer in langen, weißen Gewändern und der traditionellen runden Kopfbedeckung. Die Gespräche werden lautstark geführt, teilweise über die Tische hinweg, quer durch den ganzen Raum. Vor den meisten Gästen steht eine Dose Bier, wie wir erleichtert feststellen. Genau das hat uns hierher geführt: die Suche nach einem kühlen Bier.
Nachdem der Nichtraucherbereich eher den Plexiglas-Kobeln auf Flughäfen gleicht, suchen wir uns einen Tisch inmitten der Rauchschwaden. Wenig überraschend bin ich die einzige Frau im Raum, was aber auch niemanden zu stören scheint. Ein kleiner, schüchterner Kellner versorgt uns dann auch mit den ersehnten Dosen Tiger-Bier. Ein Genuss nach fast einer Woche Trockenheit!
Wir beobachten das Treiben der angeregten Diskussionen. Und bleiben auch nicht unentdeckt. Ein älterer Herr mit Turban, faltigem Gesicht und grauem Bart kommt zu uns an den Tisch, erkundigt sich, wo wir herkommen. Die Antwort „Germany“ scheint ihn zu erfreuen, denn er hebt lächelnd den Daumen. Fünf Minuten später steht er wieder an unserem Tisch und überreicht mir eine weitere Dose Tiger-Bier. Überrascht nehme ich das Geschenk an und er zieht zufrieden wieder von Dannen.
Kurz darauf kommt er wieder zu uns und versucht, mir in gebrochenem Englisch zu erklären, dass Alkohol nicht gut sei. Nur um mir gleich darauf wieder mit seiner Dose Bier zuzuprosten. Er zeigt auf die goldene Uhr, die sein Handgelenk schmückt. Vielleicht will er auf die Flüchtigkeit der Zeit hinweisen, so ganz können wir nicht verstehen, was er uns noch sagen möchte. Er schaut mir noch mal tief in die Augen, hebt die Bierdose zum Gruß und ist auch schon wieder verschwunden.
Am nächsten Morgen stehen wir vor unserem Hotel in der Raucherecke. Ein junger Mann mit gepflegtem Bart kommt auf uns zu. Vage kommt er mir bekannt vor, vom gestrigen Abend. Höflich begrüßt er uns. Er möchte sich für seine Landsleute entschuldigen, die gestern Abend in der Bar so laut waren. Normalerweise wären die Omanis nicht so. Ihm ist es wichtig, dass wir nicht einen falschen Eindruck von seinem Land bekommen. Er entschuldigt sich nochmals und ist auch schon wieder verschwunden.
(Oman, März 2020)