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Unsere Fahrt in die heißeste Gegend unserer Erde beginnt mit einem Umweg, weil die direkte Route noch unter Wasser steht. Keiner unserer Fahrer ist bis jetzt bei einem so hohen Wasserstand durch die Wüste gefahren. Und sie es wollen auch jetzt nicht riskieren.
Um in die abgelegene und schwer erreichbare Danakil Wüste in Äthiopien zu kommen, muss man schon einige Hürden nehmen. Gestern rollten unsere Jeeps Kurve um Kurve immer weiter in die Tiefe. Die Landschaft wurde kahler, bis zum Schluss nur noch hellbraune Steine die umliegenden Hügel bedeckten. Dafür stiegen die Temperaturen kontinuierlich und ein bisschen kann ich mir schon vorstellen, warum die Hölle unter der Erde liegen soll. Ihr „Vorhof“ liegt auf jeden Fall schon gute 100 Meter unter dem Meeresspiegel.
Zwischen ein paar spartanischen Steinhütten mussten wir gute zwei Stunden in der Hitze ausharren, bis wir die Genehmigung bekamen, um das Gebiet der Afar überhaupt zu betreten. Ihnen gehört das Stück Land an der Grenze zu Eritrea. Und sie sind ein stolzes Volk, was man an ihrer Haltung und ihrem Blick erkennt. Obwohl die drei Polizisten, die wir als „Begleitschutz“ noch in unseren Jeeps unterbringen müssen, klein und schlank sind, flößen sie einem doch Respekt ein. Was natürlich auch an dem Gewehr liegen mag, das sich unser Begleiter zwischen die Knie zwängt.



Doch heute ist es soweit: die Räder unserer Fahrzeuge erzeugen kleine Wasserfontänen, wie sie über die endlos glatte Fläche der Salzwüste fahren. Rechts und links nur weiß. Ab und zu ragt ein dunkler Felsen wie eine Insel aus dem Wasser. Die Luft flimmert, die Klimaanlage läuft auf Hochtouren. Kaum vorstellbar, dass hier immer noch Salz abgebaut wird und sich an anderen Tagen lange Kamel-Karawanen über die Ebene bewegen.



Unser Ziel sind heute die Schwefelterrassen des Dallol-Vulkans in einem der vulkanisch aktivsten Gebiete der Erde. Wir sind nicht die ersten, ein paar Jeeps haben schon vor der flachen Felserhebung geparkt. Dicht vermummt gegen die Temperaturen verlassen wir unsere gekühlten Fahrzeuge. Sogleich werden wir eingehüllt von der Hitzewolke. Nur knapp 40 Grad heute. Relative kühl, wie wir erfahren: in den Sommermonaten kann es bis zu 50 Grad heiß werden.
Langsam gehen wir über die dunklen Steine nach oben, auf die kleinen Rauchwölkchen zu. Bizarr geformte Felsentürmchen begleiten uns. Dann ist der Boden mit runden, schneckenform-artiken Muster bedeckt: kleine Häufchen aus Salzkristallen. Die Oberfläche scheint hier brüchig. Platten, die sich übereinanderstapeln. Wir folgen vorsichtig der Spur unseres Guides durch die unwirkliche Landschaft.


Direkt unter den Rauchwolken wird die Erde bunt, erstrahlt in allen Gelb- und Grüntönen. Es blubbert und kocht um uns herum. Kleine Tümpel, umrahmt von gelben Rändern, erstrahlen leuchtend grün. Unwirtlich und doch wunderschön in all den Farben und Formen. Endlos scheint sich die Vulkanlandschaft auszudehnen. Die Menschen vor mir erscheinen klein und verloren in diesem Gemälde aus Stein und Schwefel.






Fotografieren scheint sinnlos, viel zu viele unterschiedliche Bilder und Eindrücke, die sich unmöglich mit ein paar Millionen Pixeln einfangen lassen. Ich stehe einfach nur mittendrin, spüre die Hitze, die sich auf mich legt und das Atmen schwer macht, rieche den Schwefel, höre das Brodeln und Sprudeln der Erde, versuche die Farben und Formen einzufangen, mit allen Sinnen zu spüren. Das Ende der Welt, so muss es sein: gewaltig und erschreckend, faszinierend und prachtvoll zugleich.

(Äthiopien, November 2018)