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Noch ist es ruhig, durch die Maschen des Moskitonetzes über meiner Matratze schimmern schon die ersten Sonnenstrahlen in der noch angenehm kühlen Morgenluft. Ich strecke mich und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Auch diese Nacht an Deck des Schiffes war angenehm und von den Geräuschen des Waldes begleitet.
Es ist die zweite Nacht im Tajung Puting Nationalpark und heute werden wir den Waldmenschen ein letztes Mal unseren Besuch abstatten. Schon gestern konnten wir die rothaarigen Akrobaten der Bäume bei zwei Fütterungsstationen beobachten, und ich freue mich, dass wir heute noch mal die Gelegenheit haben werden.
Unter den Netzen neben mir bewegt es sich nun auch und bald sind alle Mitreisenden wach und helfen beim Wegräumen der Schlaflager. Knatternd erwacht der Schiffsmotor zum Leben und wir tuckern gemächlich über den Fluss Richtung Camp Leakey. Rechts und links streckt dichter Regenwald seine Äste über das Wasser, leichter Nebel liegt noch in den Bäumen und die Sonne steht noch freundlich und mit warmen Licht am Himmel.


Mit einem Kaffee sitze ich am Bug, betrachte die vorbeiziehende Landschaft und lasse den gestrigen Tag mit seinen Erlebnissen bei den sanften Bewohnern der Urwaldbäume Revue passieren. Lautes Geraschel der Blätter kündigte ihr Kommen an bevor ein haariger Arm oder Bein im Grün sichtbar wurde. Sie sind wahre Artisten der Baumwipfel, die sich in allen möglichen Posen im Geäst bewegen. Manchmal ist nicht erkennbar, was nun Arm oder Bein ist oder wo der Kopf zu vermuten ist. Einige der Jüngeren vollführten richtige Kunststücke vor unseren Augen, ganz so, als wollten sie dem zahlreichten Publikum zeigen, was sie schon alles können.



Und gleichzeitig sind alle ihre Bewegungen gemächlich, fast schon in Zeitlupe, als würden sie vor dem nächsten Schritt erst mal nachdenken, ob sich der Aufwand lohnt – oder ob die fünf Bananen in der einen Hand fürs erste schon genug sind. Als hätten sie alle Zeit der Welt.


Am schönsten sind allerdings die Mütter mit ihrem Nachwuchs zu beobachten, der sich im dichten Fell festkrallt, aber ab und zu schon einen kleinen Solo-Ausflug wagt. Kindliche Gesichter, die immer die Mama im Blick haben, auch wenn sie kurz die Umgebung erkunden oder kleine Purzelbäume in den Ästen vollführen. Liebevoll beobachtet von der Mutter, die auch mal kurzen Prozess macht und den kleinen Ausflügler wieder zurück in ihre Obhut holt.



Ich bin überrascht von den unterschiedlichen Charakteren, die zu beobachten sind, der Mimik und den verschiedenen Gesichtern. Jeder für sich ein ganz eigenes Individuum.




Die mächtigen Herren mit ihren ausladenden Backen und massigen Körpern bequemen sich nur ab und zu auf den Futterplatz – und beanspruchen ihn dann auch ganz für sich allein. Kein anderer Artgenosse wagt sich dann in ihre Nähe. Und manch einer der Herren zeigt auch, was er von den zahlreichen Schaulustigen hält, indem er uns einfach seinen mächtigen Rücken zuwendet.


Da finde ich die Youngsters, die einen kleinen Kampf austragen oder vollbepackt mit Bananen in den Baumwipfeln verschwinden, wesentlich interessanter.
Das Schiff biegt in einen Seitenarm des Flusses ab, vorbei am Schild, das schon das Camp ankündigt. Und bald sehen wir auch schon ein Knäuel von Schiffen, die sich an den schmalen Holzsteg kuscheln. Wir gesellen uns dazu und an Bord wird es auf einmal lebendig, jeder sucht seine sieben Sachen inklusive Kameraausrüstung zusammen.
Auch ich packe meine Schuhe und schultere den Rucksack. Ich bin schon gespannt, was uns heute erwartet.
(Indonesien, Borneo, September 2025)




