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~ Kalinkas Geschichten

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Schlagwort-Archiv: Georgien

Schmetterlingsdorf

23 Dienstag Jul 2019

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Georgien

Schmetterlinge, überall. Wie kleine, weiße Schneeflocken tanzen sie vor uns durch die Luft. Sitzen in Scharen am Straßenrand, kleine Meere aus sich bewegenden schwarz-weißen Flügeln. Man muss aufpassen, dass man nicht auf sie drauftritt.

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Wir sind auf der Suche nach einem After-Dinner Bier. In unserem Guesthouse findet heute eine Hochzeit statt und gerade ist das Brautpaar eingetroffen: die junge Braut sehr hübsch im schulterfreien, weißen Kleid, der Bräutigam in dunkler Hose und weißem Hemd. Der Eingang des großen Zeltes ist von abgeschnittenen Birkenzweigen eingerahmt. Drinnen reiht sich Tisch an Tisch, schon gut gefüllt mit den Gästen. Nachdem unsere Gastgeber alle Hände voll zu tun hatten, wollten wir als Touristen nicht weiter stören und haben uns verdrückt.

Das von uns angesteuerte Café am Fluss hat leider schon geschlossen und wir schlendern durch die Schmetterlinge zurück. Gegenüber unserer Unterkunft gibt es ein kleines Häuschen mit Veranda, in dem man anscheinend auch Bier erwerben kann. Von oben winken uns ein paar Einheimische hinauf. Und gleich darauf schließt der Bruder der Braut kurz die Tür auf, um uns aus dem Kühlschrank ein paar Biere zu verkaufen. Dann verschwindet er wieder in Richtung Hochzeit.

Die drei Georgier wollen uns ihre Sessel anbieten, doch wir fühlen uns ganz wohl, so ans Verandageländer gelehnt. Jemand bringt von drüben einen Teller mit Eintopf und dem obligatorischen Fladenbrot. Wir werden aufgefordert, uns auch zu bedienen. Gar nicht so einfach, mit einem Stück Brot etwas Eintopf vom Teller in den Mund zu befördern, ohne die Hälfte unterwegs zu verlieren.

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Wir trinken unser Bier, tratschen etwas über den heutigen Tag, während die anderen auf Georgisch ein paar Sätze austauschen. Dann steht eine kleine Cola-Plastikflasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit neben dem Teller mit dem Eintopf auf dem Tisch. Wir fangen an zu rätseln, was die Flasche wohl enthält – Wasser wird es wohl nicht sein.  Der Besitzer der Flasche schaut mich an und fragt: „Cha-Cha?“ – so wird der lokale Schnaps genannt, der meistens aus Trauben gebrannt wird. Bis jetzt hatte ich noch keine Gelegenheit, diese Spezialität zu probieren.

„Cha-Cha! Yes, please!“
ist also meine Antwort – und damit scheint das Eis gebrochen.

Ich bekomme ein Glas mit dem Getränk aus der Cola-Flasche gereicht – und bin überrascht wie mild und fruchtig der Hochprozentige schmeckt. Die Männerrunde hat wohl ihre Freude, dass ihr Getränk so gut Anklang findet, und natürlich geht das Glas weiter an meine Mitreisendenden. Und landet kurz darauf wieder bei mir: „Gagimardschos!“ – „Prost“. Eines der wenigen georgischen Wörter, die ich mir gemerkt habe. Ich stelle das leere Glas wieder auf den Tisch – und es wird sogleich wieder aufgefüllt. Lektion Nr. 2: immer einen Rest im Glas lassen, sonst kommt es gut gefüllt wieder zu mir zurück.

Der Cha-Cha Spender erklärt im gebrochenen Englisch, dass ihm der Wehrturm gehört, der eine Straße weiter in den Himmel ragt. So sieht also ein Turmherr aus. Gar nicht mal so schlecht 😉

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Als die zweite Cola-Flasche am Tisch steht, wollen wir diese Runde bezahlen. Was aber unter keinen Umständen erlaubt wird. Dafür macht das Glas wieder die Runde und wir trinken auf Germania, Austria und Georgien. Inzwischen stehen noch ein paar weitere Teller mit Essen am Tisch. Der Bruder der Braut versorgt uns noch mal mit einer Runde Bier aus dem Kühlschrank, dessen Inhalt sich gefährlich nahe dem Ende zuneigt.

Obwohl das Cha-Cha Glas auch immer wieder bei meinen Begleitern vorbeikommt, landet es doch sehr oft mit „Gagimardschos!“ und meinem Namen bei mir. Ich scheine für heute die Cha-Cha Queen zu sein.

Als dann das Gespräch auf Fußball kommt, wird die Stimmung noch ausgelassener. Unsere einheimischen Freunde dürften doch ein paar deutsche Fußballer und deren Mannschaften kennen: Dynamo Dresden, Herta BSC, Werder Bremen und sogar auf die Rapid Wien wird angestoßen. Beim Namen „Kobiaschwilli“ bricht reihum der Jubel los – ein georgischer Fußballer, der zuletzt wohl bei Herta BSC gespielt hat und nun Präsident des Georgischen Fußball-Verbandes ist. Das Cha-Cha Glas macht wieder die Runde, Umarmungen und einer meiner Mitreisender wird sogar auf die Wange geküsst. Beim Fußball versteht man sich halt in allen Sprachen 🙂

Mittlerweile hat sich die Terrasse mit weiteren Männern gefüllt. Eine dritte Cha-Cha Flasche steht auf dem Tisch. Silvia und ich sind die einzigen Frauen in der Runde. Gut, dass wir noch Verstärkung von zwei männlichen Mitgliedern aus der Reisegruppe haben – sonst wäre uns schon etwas mulmig zumute. Obwohl die Stimmung zwar ausgelassen, aber keineswegs bedrohlich ist.

Irgendwann beschließen wir dann, das Ende der dritten Cha-Cha Flasche nicht mehr abzuwarten, sondern schon vorher Richtung Guesthouse zu wanken. Trotzdem fühlt sich mein Kopf am nächsten Morgen so an, als hätten sich alle Schmetterlinge des Dorfes darin versammelt. Aber für diesen Abend hat es sich auf jeden Fall gelohnt 🙂

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(Georgien, Juni 2019)

Hinter den sieben Bergen…

07 Sonntag Jul 2019

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Georgien

Natürlich gibt es hier keine Zwerge, aber ein bisschen fühlt es sich so an, als wäre man in einer Märchenwelt, weit weg vom normalen Leben. Nach Zugdidi, der letzten größeren Stadt, schlängelt sich die Straße entlang des Enguri Flusses durch grüne Berge Richtung Kaukasus. Wald, der sich rechts und links an die steilen Berghänge schmiegt. Der Enguri Staudamm, einer der höchsten Staudämme der Welt, legt noch beeindruckend Zeugnis ab von menschlicher Gegenwart. (Und ist zugleich eine Besonderheit, die der Völkerverständigung dient, da sich der Stausee auf georgischem Gebiet befindet, das Kraftwerk aber im benachbarten Abchasien – ein Staat, von dessen Existenz ich hier das erste Mal höre.)

Danach schraubt sich unser Minibus immer höher die schmalen Serpentinen hinauf, während tief unter uns der Fluss immer wilder und ungezähmter erscheint und riesige Felsbrocken in seinem Bett von der Kraft des Wassers erzählen. Eine Zeitlang säumen unzählige Bienenstöcke die Straße, die ab und zu Gesellschaft von einer kleinen Holzhütte haben, vor der ein Schild in ungelenker Schrift Honig zum Verkauf anpreist. Wolken hängen tief über den Berggipfeln und ein kurzer Regenschauer verstärkt die düstere Stimmung.

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Und dann weitet sich das Tal plötzlich, der blaue Himmel strahlt über uns und links und rechts erstrecken sich Blumenwiesen in einer Blütenvielfalt, die unsere Wiesen traurig und öde aussehen lässt.

Das muss Swanetien sein!

Kühe gehen auf der Straße spazieren oder dösen gleich mitten auf der Fahrbahn. Hier wohl eine Selbstverständlichkeit, denn unser Fahrer fährt kommentarlos Slalom zwischen den Rinderviechern, ohne dass diese sich nur auch einen Millimeter bewegen. Die Straße wird teilweise holpriger, nicht asphaltiert und über kurze Strecken sogar schlammig. Wir bewegen uns nur noch im Schritttempo auf das kleine Dorf zu, dessen halb verfallene Steinhäuser am Horizont auftauchen.

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An unserem fünften Wandertag übernachten wir im kleinen Dorf Adishi. In 2.100 Meter Höhe gelegen wurde es 1985 von mächtigen Lawinen zum größten Teil zerstört und die Bewohner in der Folge umgesiedelt. Mittlerweile sind einige Familien (genau sechs, wenn man den Reiseführern glauben darf) wieder zurückgekehrt und leben hier den Sommer über. Bei unserem Abstieg Richtung Dorf kann ich nur Ruinen und die mächtigen Wehrtürme erkennen und frage mich schon, in welchem der halb verfallenen Steinbauten wir wohl unser Nachtlager aufschlagen werden. Aber beim Gang durch die engen Gassen erkennt man immer wieder neuere Bauten, die sich zwischen die alten Steinhäuser quetschen. Die Haupteinnahmequelle sind hier wohl die Touristen, denn an jedem der Neubauten hängt ein Schild mit „Guesthouse“ oder „Hotel“.

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Es ist eine eigenartige Mischung, die sich einem beim Rundgang durch die kleine Ansammlung von Häusern präsentiert: alte Steinmauern, von Büschen und Blumen überwuchert, halb verfallen. Eine Kiefer hat es sich auf einem der alten Wehrtürme gemütlich gemacht. Und doch steht dann unter einem erhaltenen Dach eine Kuh, schaut aus einem Loch in der Mauer ein Pferd mit seinem Fohlen. Hinter einem improvisierten Zaun aus einem Bettgestell hält ein traurig dreinblickender Hund Wache. Eine Ziege schaut mürrisch von der Terrasse eines besser erhaltenen Hauses in die Landschaft. Die Muttersau mit ihren Ferkeln flaniert die Mauern entlang und sucht sich ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen.

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Der kleine „Market“ besteht aus einem Fenster, hinter dem allerlei Süßigkeiten, Seife und Cola-Flaschen ausgestellt sind. Und die geschäftstüchtige Inhaberin lässt auch vom „homemade“ Wein (ebenfalls in einer Cola-Flasche) kosten. Der berühmte georgische Wein dürfte allerdings woanders produziert werden…

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Am Abend sitzen wir in der einzigen Bar am Ortsrand, genießen unser Bier nach den vielen Wanderkilometern der letzten Tage und schauen in den sich verfärbenden Himmel. Irgendwo bellt ein Hund, ein paar Vögel zwitschern noch, bevor sich der Tag verabschiedet. Als die Sonne verschwunden ist, geht auch der Bar-Besitzer schlafen – nicht ohne uns vorher noch mit einem frischen Bier aus dem Kühlschrank versorgt zu haben. Über uns spannt sich der Sternenhimmel, eingerahmt von den Silhouetten der hohen Berge. Wir sind in einer anderen Welt, weit abgeschieden von dem, was wir als Alltag kennen. Und es würde mich nicht wundern, wenn plötzlich ein Zwerg auftaucht, um unsere Bierflaschen einzusammeln.

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(Georgien, Juni 2019)

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