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Die Beine unseres Guides ragen unter der Kühlerhaube hervor. Der vierte oder fünfte Versuch, das Getriebe des Mercedes-Busses doch noch zu einer Bewegung zu überreden. Vor und hinter uns sind Geländewagen mit Touristen aufgereiht. Bis vor 10 Minuten war auf einemp1020208 weit entfernten Baum mit dem Fernglas noch ein Löwe zu erkennen, der müde in den Ästen hing. Beim Zurücksetzen unseres Autos auf der holprigen Piste, für einen besseren Blick auf den dösenden Löwen, hat unsere Gangschaltung wohl etwas in den falschen Hals bekommen. Auf jeden Fall weigert sie sich seit gut 45 Minuten, einen Gang einzulegen. Nach dem hoffnungsvollen Starten des Motors ist nur das Geräusch einer kreischenden Kupplung zu vernehmen. Mittlerweile ist jeder der übrigen Guides mindestens auch einmal unter den Wagen gekrochen. Dann haben sie alle vor der geöffneten Motorhaube debattiert und diskutiert. Bislang ohne erkennbare Veränderung der Situation.

Wir, sieben Passagiere, sitzen immer noch im Bus – immerhin sind wir im Nationalpark, wo vom Verlassen des Autos abgeraten wird. Löwen, Büffel, Elefanten und so…

Eine Viertelstunde später sind alle übrigen Wagen verschwunden. Unser Bus steht immer noch einsam auf der staubigen Straße durch die endlose Savanne. Wir haben die hintere Schiebetür geöffnet, um etwas frische Luft hereinzulassen. Nun ohne Zuschauer, nutze ich den Moment für eine Pinkelpause neben der hinteren Stoßstange. So wie es aussieht, werden wir noch ein paar Stunden hier festsitzen bis ein Ersatzwagen eintrifft.

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Immerhin haben wir unser Mittagessen dabei, so schnell verhungern werden wir also nicht. Mein Vordermann döst vor sich hin, der daneben ist in sein Buch vertieft. Moritz klettert durchs Fenster auf das Autodach. Rundherum nur hohes, gelbes Gras, hie und da eine Akazie, auf der sich eigentlich die Löwen räkeln sollten. Es tut sich nichts, kein Windhauch, nicht mal eine einsame Gazelle in der Ferne. Ein paar Wolken ziehen über uns. Immerhin knallt die Sonne nicht auf den Wagen und die Temperatur ist noch einigermaßen erträglich.

Die Schiebetür ist immer noch offen und ich wage mich nun doch wieder raus, um meine Beine ein bisschen auszustrecken. Direkt neben dem Bus ist die Luft etwas frischer und kühler. Mein Blick schweift über das hohe Gestrüpp neben der Straße, das die Sicht auf die offene Fläche dahinter verhindert. Alles ruhig. Doch dann raschelt es irgendwo vor mir. Der Wind? Vielleicht sollte ich doch wieder zurück ins Auto, sicher ist sicher. Durch die immer noch offene Tür sehe ich plötzlich eine Löwin neben dem Baum auftauchen, keine zehn Meter vor uns. Nun wäre es vielleicht doch an der Zeit, die Autotür wieder zu schließen.

p1020212Meine Mitreisenden und ich beobachten, nun doch mit etwas Herzklopfen, wie die Löwin gemächlich auf einen ausladenden Ast direkt vor uns klettert und sich dann gemütlich darauf legt, alle vier Pfoten hängen lässt, den Kopf auf den Ast legt und die Augen schließt. Das Klicken der Fotoapparate und unser aufgeregtes Flüstern scheint sie nicht im Geringsten zu stören. Auch unser Guide hat sich mittlerweile wieder hinter schützendes Blech begeben. Markus deutet hinter uns: noch eine Löwin trottet gemütlich über die Straße. Zwischen den hohen Grasbüscheln ist der Kopf einer weiteren gelben Katze zu erkennen.

Während wir dem Treiben vor unserem Auto zuschauen, werden wir irgendwie das Gefühl nicht los, dass wir schon die ganze Zeit beobachtet wurden und nur das Glück hatten, dass die Damen wohl zu faul und träge waren, um Jagd auf uns zu machen.

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(Uganda, Januar 2017)