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Unterwegs & Anderswo

~ Kalinkas Geschichten

Unterwegs & Anderswo

Monatsarchiv: August 2017

Nachtwesen

28 Montag Aug 2017

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Madagaskar

Es dämmert schon, als unser Boot den kleinen Sandstrand erreicht. Ein zweites Boot liegt schon an dem schmalen Steg der Insel und dessen Insassen stehen als kleines Grüppchen am Beginn des Weges, der im Hintergrund zwischen dichten Bäumen verschwindet. Bis wir alle das schwankende Boot verlassen und uns um unseren Guide versammelt haben, ist die Sonne hinterm Horizont verschwunden.

Ich folge den anderen auf dem sandigen Untergrund in den Wald. Es liegt eine eigenartige Spannung in der Luft. Nur der Guide ganz vorne leuchtet ab und zu mit der Stirnlampe, wir suchen uns schweigend den Weg im fahlen Mondlicht. Dann wird es vor uns heller, die erste Gruppe steht auf einer kleinen Lichtung, aufgeregtes Flüstern ist zu hören. Unser Guide deutet uns, näher zu kommen, und verteilt uns auf dem kleinen Platz. Im Mondlicht ist nichts zu erkennen, aber ab und zu höre ich ein nagendes Geräusch. Dann schwenkt jemand kurz eine Taschenlampe über die Baumgruppe vor uns. Ich sehe einen riesigen, buschigen Schwanz und kurz zwei leuchtende Augen. Dann ein kurzes Rascheln und die Erscheinung ist wieder verschwunden. Kurz kann ich gar nichts mit dem Gesehenen anfangen, „Kleiner Teufel“ kommt mir in den Sinn. Doch dann arbeitet mein Verstand wieder: das war also das sagenumwobene Aye-Aye von Madagaskar. Irgendwie hatte ich mir diese Lemuren Art viel kleiner vorgestellt. Alleine der Schwanz maß schon fast einen halben Meter.

Doch nun scheint das scheue Tier die Flucht ergriffen zu haben. Wir starren noch eine Zeit lang in die Äste vor uns, ab und zu leuchtet auch eine Lampe hinein. Aber da rührt sich nichts mehr. „Immerhin habe ich eines gesehen“, denke ich mir. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.

Ein paar Minuten später sammelt unser Guide uns lautlos wieder ein und wir folgen weiter dem sandigen Pfad unter den dunklen Ästen, zwischen denen der Sternenhimmel durchblitzt. Ich bin noch ganz gefangen von dem Anblick und muss aufpassen, dass ich nicht in meinen Vordermann laufe, der plötzlich stehen bleibt. Anscheinend hat der zweite Guide am Schluss noch etwas entdeckt. Wir drehen um und biegen dann rechts ab. Wieder ein Lichtschein vor uns. Ich sehe ein paar dunkle Silhouetten, die regungslos auf einen erleuchteten Fleck starren. Fotoapparate klicken und piepsen. Dazwischen hört man wieder das nagende Geräusch. Und dann bemerke über einer halben Kokosnuss, die zwischen die Bäume geklemmt ist, eine Bewegung. Ein langer, buschiger Schwanz streckt sich parallel zum Baumstamm in die Höhe. Darunter ein schwarzer Körper, der in einen Kopf mit zwei großen, runden Ohren mündet, der wiederum tief in der Kokosnuss steckt. Am Rand der Nuss erkenne ich die langen, knochigen Finger, die sich festhalten. Kurz blick das Aye-Aye auf und fixiert uns mit seinen stechenden Augen, bevor es den Kopf wieder in der Frucht vergräbt.

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Ich sinke langsam auf die Knie und bin nun nur noch circa zwei Meter von der Gestalt vor mir entfernt, die sich nun zur Seite dreht und mit ihrem knochigen Fingerknochen mit schnellen Hin- und Her-Bewegungen im Fruchtfleisch der Kokosnuss stochert. Ein unheimlicher Anblick, der durch die struppigen, weißen und längeren Haare in dem schwarzen Pelz noch verstärkt wird. Ich kann verstehen, warum die Madagassen immer noch Angst vor diesem Wesen haben.

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Ein Rascheln in den Zweigen weiter oben. Eine Lampe schwenkt in die Richtung und wir erkennen ein kleineres Aye-Aye, das vorsichtig nach unten späht. Anscheinend haben wir den einzigen Nachwuchs entdeckt, den es unter den sechs Tieren auf dieser Insel gibt. Unschlüssig wandert es auf den oberen Zweigen hin und her und blickt auf seine beschäftigte Mama.

Ich merke, wie verkrampft meine Arme schon vom Halten der Kamera sind, und lasse den Fotoapparat auf meine Knie sinken. Unter diesen Lichtverhältnissen und ohne Blitz werde ich sowieso kein scharfes Foto hinbekommen. Andächtig genieße ich den magischen Moment, ein so seltenes und merkwürdiges Tier in freier Wildbahn zu beobachten.

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Nach einer gefühlten Ewigkeit – das wollen wir auf jeden Fall meine protestierenden Knie vermitteln – werden wir von unserem Guide wieder eingesammelt. Ich kann mich nur schwer losreißen, verstehe aber, dass man den Wildtieren auch etwas Ruhe gönnen muss. Immerhin ist es für mich schon ein kleines Wunder, dass ich dem buschigen Teufel überhaupt begegnen durfte.

(Madagaskar, August 2017)

Im Schatten des Chamäleons

22 Dienstag Aug 2017

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Madagaskar

Vor uns erstreckt sich ein weites Tal hinter dem die nächsten eigenartig geformten Granitfelsen aufragen. Vereinzelte Häuser sind als kleine Punkte erkennbar, dazwischen schlängelt sich der Fluss durch die rote Landschaft. Beim Abstieg aus dem Andringitra-Massiv hat sich unsere Gruppe nach einigen Stunden Wanderung aufgesplittet. Irgendwo weit vor uns, nicht mehr sichtbar, sind die ersten unterwegs, hinter uns die letzten, ebenfalls mit einem Guide. Der hat uns während der Rast noch mit auf den Weg gegeben, bei der nächsten Gabelung die rechte Abzweigung zu nehmen („avanana“ und nicht „avia“).

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Wir sind zu zweit und bleiben immer wieder stehen, um das grandiose Panorama zu fotografieren – nur so entdecken wir zufällig den schmalen Pfad, der rechts abgeht. Sonst hätten wir ihn wohl übersehen. Nach der Umrundung eines riesigen Felsens kommen wir an den Fluss, der über breite Granitplatten träge dahin fließt. Nachdem wir vorsichtig über die glatten Steine auf die andere Seite balanciert sind, holen uns die Rufe von ein paar Einheimischen zurück, als wir geradeaus weiter marschieren wollen. Sie deuten uns, dass der Weg dem Flussufer folgt. Unter den wachsamen Augen der jungen Männer bahnen wir uns den Weg über die holprigen Schollen eines Reisfeldes.

Es geht weiter bergab, rechts tauchen rote Mauern einiger verfallener Häuser auf, zwischen denen malerisch die hohen Stämme der Agavenblüten aufragen. Ein paar sehnige Hühner samt Hahn scharen dazwischen in der staubigen Erde.

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Der Weg führt direkt auf ein Dorf zu und wir hören schon von weitem das Rufen der Kinder, die von allen Seiten angelaufen kommen. Bei den ersten Häusern sind wir von gut 30 lärmenden Mädchen und Buben umringt, die alle versuchen, uns anzufassen, an den Armen festzuhalten oder uns die Hand für ein Geschenk entgegenstrecken. So ganz geheuer ist das nicht und wir beschleunigen unseren Gang. Als die dritte Hand an meine Kehrseite greift, drehe ich mich mit einem lautem „Hey!“ um. Das sorgt kurz für Ruhe, aber gleich darauf rücken mir die Kinder wieder auf die Pelle und äffen nun auch noch mein „Hey!“ nach. Erst als eine ältere Frau aus dem Dorf auf Madagassisch wohl ein Machtwort spricht, halten sie etwas Abstand.

Als wir endlich die Häuser und die letzten Kinder hinter uns lassen, atmen wir erst einmal erleichtert tief durch. Weder vor noch hinter uns ist jemand aus unserer Gruppe zu sehen. Vor uns erstreckt sich die weite Ebene mit Feldern, die von vielen kleinen Wegen durchzogen scheint. Wir sind etwas planlos, wie wir nun zu dem Camp kommen, in dem heute übernachtet wird. Mein Begleiter erinnert sich, dass es am Fuße des Chamäleonberges liegen soll. Doch wo ist der?

Ein junges Mädchen mit einem Wassereimer auf dem Kopf kommt vorbei. Ich probiere auf Französisch, ob sie weiß, wo das Camp Katta zu finden ist. Die Antwort ist nur ein schüchternes Lächeln. Also folgen wir erst mal dem Weg, der uns wieder zum Flussufer führt. Bei den beiden Männern, die dort arbeiten, haben wir etwas mehr Glück. Sie weisen nach rechts und zeigen uns auch den Weg durch den Fluss. In der Ferne taucht nun ein einzelner Felsen auf, dessen Spitze die Form eines Chamäleons hat. Das muss wohl der Berg sein, an dessen Fuß das Camp liegt. Allerdings lässt sich nicht wirklich erkennen, welche der entfernten Häuseransammlungen die richtige ist. Ein junges Paar mit Kind deutet geradeaus auf ein paar helle Häuser am Horizont und amüsiert sich wohl königlich über die beiden Vazars, die durch die Felder irren.

Mittlerweile sind wir schon gute sechs Stunden unterwegs, fast 1000 Höhenmeter abgestiegen und nicht gerade glücklich mit der ungewissen Situation. Wir beschließen, uns den Weg bis zur Hauptstraße zu suchen, da die wohl unweigerlich am Camp vorbeiführen muss (immerhin der einzige Weg, der breit genug für ein Auto ist). Die „Hauptstraße“ entpuppt sich als staubige Piste, auf der gerade eine Herde von Zebus unterwegs ist. Natürlich gibt es weit und breit keine Wegweiser oder Straßenschilder. Also wieder nach rechts Richtung Chamäleon.

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Bei der ersten Abzweigung zu einer Häuseransammlung werden wir wieder zurück geschickt: zwar gibt es dort ein Camp, aber nicht das richtige. Der Weg gabelt sich erneut und ich will schon den lächelnden Herrn, der neben uns auftaucht, mit einem „Salama“ begrüßen, als ich einen der Guides erkenne, der uns hier wohl abfangen will. Den Rest der Gruppe, der weit hinter uns war, hat er am Wegrand „geparkt“. Anscheinend hatte er uns die ganze Zeit im Blick – obwohl wir einen beträchtlichen Umweg gemacht haben.

P1110466Vorbei an einem Fußballfeld, auf dem das abendliche Match stattfindet, geht der restliche Weg schnurgerade weiter und wir sind fast etwas enttäuscht, dass wir das letzte Stück nicht auch in Eigenregie zurücklegen dürfen. Unter dem gleichgültigen Blick des steinernen Chamäleons erreichen wir bald darauf das Camp. Immerhin gibt es zur Begrüßung ein paar Kattas und als Entschädigung ein kühles Bier.

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(Madagaskar, August 2017)

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