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Schon am Flughafen werden wir von unaufhörlichem Hupen empfangen. Auf der Autobahn Richtung Stadt ist es dann relativ ruhig und der Verkehr recht flüssig. Wir bewegen uns durch eine trockene, leicht hügelige Landschaft, in der vereinzelt große, braune Felsen verstreut sind, auf die Hochhäuser der HITEC City zu. Viele der bis zu 20-stöckigen Appartement Bauten sind noch Baustelle. Dazwischen bewerben riesige Plakatwände mit glücklichen Familien die neugebauten Wohnungen.
Vor uns tauchen die ersten verglasten Bürogebäude der IT Zentrums von Hyderabad auf und der Verkehr wird dichter und zäher. Gleichzeitig erhöht sich der Lärmpegel, weil jeder Verkehrsteilnehmer nicht nur aufs Gas, sondern auch auf seine Hupe zu drücken scheint.
Vor einer der wenigen Ampeln kommen wir zum Stehen. Rund um uns herum schieben sich Motorräder in die noch freien Lücken zwischen den Autos durch. Berührungsängste scheint keiner zu haben. Dicht neben uns schlängelt sich eine Frau auf einem Roller in buntem Sari vorbei. Unter ihrem Sturzhelm schaut ein langer, pechschwarzer Zopf hervor, auf dem eine kunstvoll geflochtene Blumengirlande befestigt ist.
Als die Ampel grün leuchtet, startet ein Hupkonzert, als ob es ohne Lärm kein Fortkommen gäbe. Die Straße ist breit genug für drei Spuren, allerdings ohne Markierungen, da eh jeder den gesamten verfügbaren Platz ausnützt. Für mich ist in der ungeordneten Ansammlung von Autos, Motorrädern und Auto-Rikschas vor uns kein System zu erkennen, und ich bin überrascht, dass wir uns überhaupt fortbewegen.
Unser Fahrer hupt kurz und schwenkt scharf nach links in eine Lücke zwischen einem Auto und einem schon etwas betagtem Bus. Der Rikscha Fahrer, der wohl die gleiche Idee hatte, wird mit einem weiteren Hupen verscheucht.
Ein verschüchterter Radfahrer schiebt rechts vor uns seinen Drahtesel durch die Blechschlange – an seiner Stelle würde ich mich auch nicht in das Chaos wagen.
An der nächsten roten Ampel werden wir links neben der Straße von einer Familie auf einem Motorrad überholt: wer sagt, dass man für fünf Leute schon ein Familienauto braucht, wenn auch alle auf ein Zweirad passen?
Rechts über uns tauchen die Säulen der zukünftigen Metro auf, die noch 2015 in Betrieb gehen soll. Allerdings klaffen zwischen den einzelnen Bauteilen noch beträchtliche Lücken, sodass man an der pünktlichen Inbetriebnahme zweifeln könnte.
Ein energisches Hupen verhindert, dass ein Bus, der unserem Wagen gefährlich nahe kommt, diesen auch streift. Wir kommen hinter einem bunten Lastwagen mit der Aufschrift „Sound Horn“ zum Stehen. Anscheinend ist diese freundliche Aufforderung ein notwendiges Mittel, um Gröberes zu verhindern: wer überholen möchte, hupt. Wer zuerst hupt, hat gewonnen. Wer einem anderen zu nahe kommt (was hier wohl heißt, näher als 3 Zentimeter), wird angehupt. Und jeder ist mit der nötigen Konzentration bei der Sache, damit diese Art der Kommunikation auch ohne Unfälle funktioniert.
Wir nähern uns unserem Hotel, umgeben von Baustellen für zukünftige Büros in der IT Hauptstadt Indiens. Auf den staubigen Plätzen dazwischen stehen etwas verloren kleine Verkaufstände für Essen und Getränke. Nach der Sicherheitskontrolle öffnet uns ein Hupen das große Tor zum Hotel.
(Indien, Februar 2015)