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Über mir ziehen zwei Geier ihre Runden. Majestätisch gleiten sie ohne einen Flügelschlag dahin. Im Fernglas erkenne ich den markanten Kopf und die mächtigen Schwingen. Der ständige Wind scheint sie nicht zu stören. Es beruhigt, ihrem Schweben zuzusehen. Weit abgehoben von jeglicher Zivilisation.
Ich sitze hoch oben auf einem der markanten Felsen in den Ausläufern der Wüste Gobi, am Fuße derer wir heute unser Lager aufgeschlagen haben. Direkt unter mir die gelben Punkte der Zelte, aber zu weit weg, um die Stimmen der Gestalten, die sich dazwischen bewegen, bis zu mir dringen zu lassen.
Hinter den Zelten erhebt sich ein Felsen in der Form eines Adlerkopfes. Ganz oben zwei kleine Punkte – dort genießen wohl zwei andere aus der Gruppe den Ausblick. Dahinter ragen weitere bizarre Steinformationen aus der gelben Steppe, die sich endlos bis zum Horizont erstreckt und dort fast die dunklen Wolken berührt. Die Strahlen der untergehenden Sonne kämpfen sich durch einen Riss in der Wolkendecke und verleihen der Landschaft etwas Unwirkliches.
Die absolute Stille hüllt mich ein, wie ein weicher Mantel. Kein Fluglärm, kein Auto, nicht mal ein Vogel ist zu hören. Alles ist weit weg, es gibt nur mich, die braunen Felsen, die endlose Weite, die Geier über mir und harten Stein unter mir. Kein Gestern und kein Morgen, nicht mal den nächsten Moment. Nur Hier und Jetzt. Dankbar für den Luxus des Augenblicks.
(Mongolei, September 2016)