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11 Uhr Vormittags am Busbahnhof von Berchtesgaden. Das Wetter ist etwas trübe und hinter uns verschwindet der Gipfel der Watzmanngruppe in den grauen Wolken. In 10 Minuten soll der Bus eintreffen, der uns zum Königssee bringt. Allerdings sind wir nicht die einzigen auf dem schmalen Busbahnsteig: mit uns drängen sich ca. 50 Menschen asiatischer Herkunft unter dem Schild das den „Watzmann Express“ ankündigt. Alle gut ausgerüstet mit Reiseführern, Ausdrucken, Regenschirmen und natürlich Kameras. Und – das ist eher überraschend – die meisten sind gut vorbereitet auf die bayrische Bergwelt mit Goretex Jacken, Turnschuhen und Rucksäcken auf denen das auffällige Logo von Jack Wolfskin. Da muss es eine Asia Connection des deutschen Outdoor-Ausrüsters geben, dir mir bis jetzt entgangen ist.
Als der Bus um die Kurve biegt, kommt Bewegung in die Menschenansammlung. Der Busfahrer bleibt in einem kleinen Täuschungsmanöver erst in der Mitte des langen Bahnsteiges stehen, bevor er dann bis zum Ende fährt – was uns in die glückliche Lage versetzt, direkt von den sich öffnenden Bustüren zu stehen. Daher gehören wir zu den privilegierten, die einen Platz im Bus bekommen und dazu noch einen Sitzplatz. Immer mehre Leute drängen sich geduldig in das Fahrzeug und zu guter Letzt finden auch noch drei japanische Kinderwagen im hinteren Teil Platz. An Aussteigen ist allerdings nicht mehr zu denken…
Nach dem zweiten Versuch sind auch alle Türen geschlossen und der Bus setzt sich langsam in Bewegung. Im Vorbeifahren sehe ich noch, wie ein paar der draußen gebliebenen zum Taxistand eilen. Langsam erklimmen wir die steile Straße nach Schönau und durchfahren dann in weiten Kurven den langgezogenen Ort, an dessen Ende der türkise – angeblich schönste See in Europa liegt. Der Busfahrer ignoriert sämtliche Haltewünsche, die man durch Drücken einer der roten Knöpfe kundtun könnte. Natürlich bleibt er auch an keiner Haltestelle stehen, um noch neue Gäste aufzunehmen – warum auch, nachdem der Bus bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Ich frage mich, warum er nicht gleich den direkten Weg zum See wählt, sondern stoisch die gesamte Route an allen Haltestellen vorbeifährt.
An der Endstation vermischt sich dann der Inhalt des Busses mit den schon vorhanden Massen an Touristen kurz vor dem See – von dem allerdings noch nichts zu sehen ist. Nur die steilen Felswände der umgebenden Berge ragen vor uns auf. Wir lassen uns in der Menge vorbei an schönen alten Häusern mit Lokalen und Souvenirläden Richtung Hafen treiben. Dort weht verlassen eine deutsche Flagge, wie um sich gegen die Invasion aus Asien zu behaupten und zu zeigen, dass wir noch in deutschen Landen sind. Von hier legen die Elektroboote ab und verschwinden zwischen den Felswänden Richtung St. Bartholomä, einer kleine Kapelle auf einer Insel im See, die auch das Ziel der meisten Touristen ist. Rechts hinter der Anlegestelle schmiegt sich der Beton der Bob-Bahn an den Hang – fast wie moderne Kunst.
Wir biegen links ab auf einen Wanderweg zum Gipfel des Jenners – und plötzlich sind wir alleine in dieser schönen Landschaft und der Blick auf den tiefblauen See in 1000 Meter Höhe, der sich wie ein Fjord zwischen den steilen Bergwänden erstreckt, gehört uns ganz alleine.
(Deutschland, April 2014)