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Unterwegs & Anderswo

~ Kalinkas Geschichten

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Schlagwort-Archiv: Deutschland

Tornado

25 Montag Jan 2021

Posted by Kalinka Maier in Am Fahrrad

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Deutschland

Als ich mich auf der ruhigen und einzigen Hauptstraße meiner Unterkunft nähere, steht schon jemand auf der Straße und winkt. Mit einem Empfangskomitee hatte ich gar nicht gerechnet. Ist schließlich mein erster Tag auf dem Elbe-Radweg. Also noch keine großen Meisterleistungen zu feiern.

Ich werde gleich samt Fahrrad und Gepäck durch den Hintereingang bis zur Kegelbahn gelotst. Eine bunte Disko-Kugel zeugt von wohl besseren Zeiten in dem kleinen Ort in Brandenburg. Hier – zwischen ausrangierten Möbeln und Getränkekisten – darf ich erst mal mein Rad abstellen. Dann geht es eine schmale Treppe hoch bis zu dem kleinen Zimmer. Wann ich denn duschen möchte? – Mein Blick muss doch etwas verwundert gewesen sein, denn als Erklärung kommt dann gleich, dass dafür erst die Warmwasseranlage in Gang gesetzt werden muss. Bin wohl der einzige Übernachtungsgast heute.

Abendessen gäbe es heute nicht, da die Gaststube von einer Trauerfeier belegt sei. Daher auch der Hintereingang… Also mache ich mich frisch geduscht auf die Suche nach einem Gasthaus. Bei gut 3.500 Einwohnern wird es wohl ein solches geben. Ein nettes, kleines Städtchen mit hübsch renovierten Häusern. Leider komplett ausgestorben. Der einsetzende Regen und die Bässe, die aus den vorbei rauschenden Autos schallen, verstärken die düstere Stimmung noch.

Im Schlosspark herrscht Chaos: ein Schild warnt sogar vor Lebensgefahr bei Verlassen des Weges. Auf einem weiteren Schild ist von einem Tornado die Rede. Tornado? Mitten in Deutschland? Muss ein schlechter Scherz sein. Aber die umgestürzten Bäume und der halbe Kirchturm sprechen eine andere Sprache. Irgendwie komme ich mir vor wie im falschen Film. Noch immer ist mir kein Mensch begegnet.

Umkehren und Butterbrot zum Abendessen? Da fällt mir das Schild „Zum Elb-Hafen“ auf. Am Hafen muss es doch etwas zu essen geben. Na ja, Hafen ist leicht übertrieben, aber immerhin zwei kleine Boote liegen im ruhigen Wasser. Das Gasthaus „Seeblick“ macht allerdings einen eher verwaisten Eindruck. Aber was habe ich zu verlieren: vorsichtig drücke ich die Klinke hinunter. Und siehe da: die Türe öffnet sich. Drinnen läuft der Fernseher, sonst alles ruhig und kein Mensch zu sehen.

Ich setze mich an einen der Tische. Nach ein paar Minuten taucht dann doch die Wirtin auf. Viel könne sie mir nicht anbieten. Eine „Pilzschnitzel“ und ein Bier. Mittlerweile würde ich wohl zu allem „ja“ sagen. Das Schnitzel entpuppt sich nicht wie erwartet als Schnitzel mit Pilzen, sondern als Riesen-Pilz (Bovist), der auf Schnitzel macht. Schmeckt ausgezeichnet.

Als ich später satt und zufrieden wieder vor die Tür trete, spannt sich ein Regenbogen über den kleinen Hafen. Mühlberg hat also doch auch ein freundliches Gesicht.

(Deutschland, August 2010)

(Mühlberg wurde im Mai 2010 tatsächlich Opfer eines Tornados, der über 300 Häuser zerstörte.)

What a shitty day :-)

01 Sonntag Jul 2018

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Deutschland

Ich gehe langsam über den sandigen Weg, lasse den Blick von der Mitte des Weges zum rechten Rand und wieder zurück gleiten. Links und rechts erstreckt sich der Pinienwald, durch den der Wind steift. Man hört das Zwitschern der Vögel, sonst ist es still. Kein Auto, kein Flugzeug, kein Mensch. Nur Natur…

Rudolf, der ein paar Schritte vor mir auf der linken Seite geht, bleibt stehen und zeigt in die Mitte des Waldweges. Als ich näherkomme, kann ich es auch erkennen: Büschel von weißlichen Haaren, schon etwas platt, liegen locker verteilt mitten auf dem Weg. Dazwischen sind bleiche Knochenstückchen zu erkennen. Ich nicke zustimmend und nehme das GPS vom Gürtel. Nach drei Tagen in den Wäldern rund um die Lüneburger Heide sind wir ein eingespieltes Team: während ich den Punkt im GPS markiere, legt Rudolf schon den Zollstock neben unseren Fund. Ich mache ein Detailbild von oben und ein Übersichtsbild mit einem Stück vom Horizont, während er schon die Klemmmappe herausgeholt hat und die Daten im Dokumentationsblatt einträgt. Ich setze den Rucksack ab, packe die Tupperdose mit unserem SCAT-Kit aus. Wieder einen Plastikbeutel mit Ort, Datum und GPS-Koordinaten beschriften. „SCAT 11“ schreibe ich als Überschrift. Schon unser elfter Fund an diesem Vormittag – auf einer Strecke von nur knapp 1,5 Kilometer.

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Rudolf geht auf die Knie und beugt sich mit der Nase tief über das kleine Häufchen – sein Gesicht beantwortet meine Frage: typischer Wolfsgeruch. Mit einem Latexhandschuh bewaffnet sammle ich die Haare, größere und kleinere Knochenstücke auf. Sogar ein kleiner Rehhuf ist mit dabei – ich bin immer wieder erstaunt, was so alles durch einen Wolfsmagen geht. Die Analyse der Losung soll Aufschluss über die Ernährung der Wölfe in diesem Gebiet geben.

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Mittlerweile muss ich schon sorgfältig schlichten, damit die vielen Beutel mit unseren Funden in die Tupperdose passen. Beim Verstauen in meinem Rucksack frage ich mich, wie lange mich wohl der strenge Geruch auf meinen nächsten Wanderungen begleiten wird.

Alles wieder eingepackt, gehen wir langsam auf dem Weg weiter. Manchmal denke ich mir, der Wolf könnte direkt vor uns stehen und wir würden ihn nicht bemerken, weil wir so angestrengt auf den Boden fixiert sind. Aber dazu sind Wölfe natürlich zu scheu und gar nicht erpicht darauf, uns Menschen zu begegnen.

Vor mir bleibt Rudolf stehen und schaut vor sich auf den Boden. „Nicht schon wieder!“, denke ich bei mir. Aber doch, dieses Mal haben wir ein relativ frisches Exemplar entdeckt: die schwarz-lila schimmernden Mistkäfer sind noch angestrengt damit beschäftigt, die Losung zu verarbeiten, in kleine Erdlöcher zu ziehen und nur die Haare übrig zu lassen. Es ist, als der Kot noch lebt. Alles bewegt sich.

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Dieses Mal habe ich schon beim Fotografieren den strengen Geruch in der Nase. Eindeutig Wolf. Dose wieder raus, Beutel beschriften, GPS Koordinaten eintragen, Latex-Handschuh überstreifen. Es ist gar nicht so einfach, die Käfer von ihrer Mahlzeit zu trennen, damit sie nicht auch im Beutel landen. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, ihnen ihr Mittagessen wegzunehmen.

Ein paar Minuten später entdecken wir Spuren im Sand, die sich einige Meter im sandigen Untergrund verfolgen lassen. Könnte ein Wolf gewesen sein, zumal sie in einer sehr geraden Linie verlaufen und auf einen „geschnürten Trab“ hindeuten, bei dem die Hinterpfoten in die Vorderpfoten treten. Eine sehr energiesparende Fortbewegungsart, in der Wölfe auch schon mal 70 Kilometer oder mehr am Tag zurücklegen. Zum Spaß messen wir die Größe der Abdrücke: ab 8 Zentimeter könnte es ein Wolf sein. Um wirklich als Wolfsspur zu gelten, muss sie über mindestens über 100 Meter zu verfolgen sein – was in unserem Fall nicht zutrifft. Aber doch irgendwie ein aufregendes Gefühl, diese Abdrücke im Sand zu sehen.

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Bis zum vereinbarten Treffpunkt und einige Stunden später haben wir insgesamt 24 Losungen dokumentiert und auch 20 davon eingesammelt. Ein neuer Rekord! Aber wir waren auch am „Wolfs-Highway“ unterwegs, wo sich das Rudel in diesem Gebiet wohl besonders gern aufhält. Auch Malinka und Claire, die wir dort wieder treffen, waren erfolgreich: sie haben ebenfalls über 20 Proben gefunden. Die liegen nun alle ausgebreitet auf dem Tisch der Veranda von Kennys Hotel, in dessen Garten wir heute unsere Zelte aufgebaut haben. Kenny ist Wolfsberater für unser heutiges Gebiet südlich der Elbe, und er begutachtet jede Probe einzeln. Dazwischen stehen unsere Kaffee-Tassen, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, zum Nachmittagskaffee auch ein paar Beutel mit Wolfsscheiße zu sortieren.

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Eine unserer Proben scheint noch frisch genug zu sein, um davon DNA zu nehmen und den Wolf zu identifizieren. Also den Kaffee noch mal zur Seite stellen, Latexhandschuh überstreifen und zwei Zentimeter in ein Döschen mit Alkohol bugsieren. Anschließend wasche ich mir wohl zum fünften Mal an diesem Nachmittag die Hände – aber den Wolfsgeruch habe ich trotzdem immer noch in der Nase.

Beim Abendessen – unsere „Beute“ haben wir mittlerweile sicher verstaut – erfahren wir von Kenny noch Wissenswertes aus dem Leben eines Wolfsberaters, von denen es alleine in Niedersachsen 120 gibt. Und natürlich über die Wölfe, die sich langsam wieder in Europa ausbreiten. Was allerdings nicht von allen positiv aufgenommen wird. Unsere Arbeit als Freiwillige im Rahmen des Biosphere Projektes trägt dazu bei, möglichst viele Daten über die Verbreitung und das Verhalten der Wölfe zu liefern.

Bevor wir am Abend in unsere Zelte kriechen, machen Rudolf und ich noch einen Abstecher in ein kleines Wäldchen in der Nähe: es ist Glühwürmchen-Zeit. Kleine leuchtende Punkte schweben zwischen den Bäumen und Sträuchern, in denen ein leichter Nebel hängt. Eine fast magische Stimmung. Ich komme mir vor wie in einem Märchenwald. Aber das ist nicht der Wald vom bösen Wolf, sondern einer, in dem Wolf und Mensch friedlich nebeneinander leben.

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(Deutschland, Lüneburger Heide, Juni 2018)

Von wagemutigen Trotteln und zärtlichen Tölpeln

23 Samstag Jun 2018

Posted by Kalinka Maier in Die weite Welt

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Deutschland

Der Wind pfeift mir um die Ohren, ich muss mich richtig dagegen stemmen, um nicht von den Klippen geblasen zu werden. Die Kamera gerade zu halten, wird zum Kraftakt. Völlig unbeeindruckt von den Windverhältnissen scheinen die Basstölpel zu sein, die direkt vor mir in der Luft stehen. Mühelos schweben sie über den steilen Felsen, die von ihren Artgenossen besetzt sind.

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Ein-, zweimal kreisen sie über der Kolonie, bis sie ihre Angebetete wiedergefunden haben und die Landung mit einem lautstarken und aufgeregtem „Rrrra, rrrra, rrrraaa!“ ankündigen. Dann plumpsen sie fast auf ihre Partnerin. Fast grob packen sie die am Boden Sitzende mit dem Schnabel vom hinten am Hals, um gleich darauf schon zärtlicher zu werden und mit ihr die Schnäbel zu reiben. Es scheint ein einstudierter Tanz zu sein, den sie immer wieder aufführen: mit gereckten Hälsen die Schnäbel in die Luft strecken, aneinander zu reiben, dann wieder mit aufgeregtem Geschrei den Kopf hin und her zu bewegen, als würden sie sagen wollen „Nein, nein, nein, dich verlasse ich nie mehr!“. Dabei steigen sie bedächtig wippend von einem Fuß auf den anderen. Dann sind sie ganz ruhig, in ihrer Zweisamkeit versunken, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt. Um gleich darauf wieder in aufgeregtes „Rrrrra, rrrra, rrrrraaaa“ auszubrechen und den Tanz von neuem zu beginnen.

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Schließlich erhebt sich einer der beiden wieder mit einem kurzen Seufzer von den Felsen und segelt davon.

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Stunden später stehe ich schon wieder an den Klippen und fokussiere mit meinem Fernglas eine kleine Nische im roten Felsen vor mir. Es ist 20 Uhr und die Sonne steht noch immer hoch über dem Meer. Ein kleines Grüppchen hat sich um einen jungen Mann versammelt, der uns erzählt, was es mit dem Lummensprung auf sich hat: die Trottellummen brüten ebenfalls in den roten Felswänden Helgolands und sind als schwarz-weiße Bänder zwischen den größeren Tölpeln zu erkennen. Wie kleine Pinguine stehen sie aufgereiht auf den schmalen Felsvorsprüngen. Und wie die Pinguine sind sie nur im Wasser richtig zu Hause. Ihr Flug ist eher schwerfällig und sie kommen nur zum Brüten an Land. Das ist auch der Grund, warum ihre Küken schon nach drei Wochen den Sprung von 30 bis 40 Meter in die Tiefe wagen müssen – obwohl sie noch nicht fliegen können. Die Eltern schaffen es einfach nicht mehr, die viele Nahrung die steile Felswand hinauf zu tragen.

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Heute Abend scheint es günstig zu sein: wenig Wind und gutes Wetter – was auch uns das Beobachten leichter macht. Mit unseren Ferngläsern suchen wir die gegenüberliegende Felswand ab. Die Lummen-Küken sind nur schwer zu erkennen, da sie meistens zwischen den Eltern und der Felswand sitzen. Doch dann haben wir einen vielversprechenden Kandidaten ausgemacht: das Küken steht relativ frei und macht einen aktiven Eindruck. Es streckt sich und schlägt mit seinen kleinen Flügelstummeln, als ob es sich schon für den großen Sprung bereit machen möchte. Trippelt zwei Schritte auf den Abgrund zu, schaut kurz hinunter und dreht dann wieder um, als wollte es sagen: „Mit mir nicht!“. So klein und verletzlich ist das kleine Federknäuel. Man möchte es am Liebsten in den Arm nehmen und ihm versichern, dass alles gut gehen wird.

Obwohl die Eltern dem Kleinen gut zuzureden zu scheinen, tut sich die nächsten Minuten nichts. Das Küken hat sich wieder der Felswand zugewendet und scheint in Gedanken versunken. Dann wieder etwas „Action“: es steigt versuchsweise auf einen Mini-Stein und hüpft hinunter. Flüchtet dann aber wieder sofort in Richtung Felswand.

Wieder ein paar kleine Schritte nach vorne, ein Flattern mit den Flügeln, wir halten kurz die Luft an, dann trippelt er wieder zurück. Steckt den Kopf unter den Flügel der Mutter, als wollte er sagen „Mama, ich hab Angst“.

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Mittlerweile ist es nach 22 Uhr, die Sonne ist schon im Meer versunken und es wird dämmrig. Unser Führer meint, er müsste jetzt auch Feierabend machen. Doch wir müssen dableiben, können das kleine Kerlchen jetzt nicht alleine lassen und richten unsere Ferngläser und Kameras auf ihn. Als würde er die gesammelte Aufmerksamkeit spüren, kuschelt er sich an den Felsen und vergräbt den Kopf im feinen Flaum. „Noch eine halbe Stunde“, denke ich bei mir, dann ist laut Führer der Zeitpunkt, an dem die Meisten der Küken den Sprung in die Tiefe wagen.

Mir ist so kalt, dass ich mein Fernglas mit beiden Händen halten muss, damit ich vor lauter Zittern und Wind etwas sehen kann. Langsam verschwimmen die Konturen am Felsen im Dämmerlicht und ich muss mich konzentrieren, um das kleine schwarz-weiße Knäuel noch zu erkennen. Nach 30 Minuten tut sich immer noch nichts am Felsen. Einige aus unserer Gruppe haben mittlerweile schon aufgegeben und sind abgezogen.

Vielleicht springt er heute gar nicht. Braucht noch einen Tag, um den nötigen Mut zu sammeln. „Noch 10 Minuten“, denke ich mir und traue mich nicht, den Blick abzuwenden, vor lauter Angst, den entscheidenden Moment zu versäumen.

Die Mama macht ein paar Schritte vor zur Felskante, der Kleine schaut skeptisch, macht dann auch zwei Schritte vor und wieder einen zurück. Vergräbt wieder den Kopf unterm Flügel. Vorsichtig stupft ihn die Mama an. Und dann geht es ganz schnell: zwei kleine Schritte nach vor, die kleinen Flügel ausgebreitet und weg ist er. Verschwunden im Dämmerlicht der Tiefe. Und knapp dahinter die Mama, um sich zu vergewissern, dass er auch gut unten angekommen ist.

22:48 Uhr: das kleine verbliebene Grüppchen jubelt kurz und spendet dem todesmutigen Springer einen Applaus. Auf dem Weg nach Hause über die Klippen, der Horizont hinterm Meer leuchtet noch, kann ich das Lächeln nicht unterdrücken: ich bin stolz auf ihn, den kleinen Springer. Möge er ein langes und glückliches Leben vor sich haben.

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(Helgoland, Juni 2018)

Wolfsland

31 Samstag Mär 2018

Posted by Kalinka Maier in Am Fahrrad

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Deutschland

Schon seit gut einer Stunde bin ich auf dem einsamen Feldweg unterwegs. Keine Menschenseele, keine Häuser oder sonstige Anzeichen von Zivilisation weit und breit. Rechts und links wechseln sich bunte Wiesen mit dichtem Wald ab. Die Sonne steht noch nicht hoch am Himmel, ein paar Nebelreste liegen über den Gräsern, werden sich aber wohl bald in den Strahlen der August-Sonne auflösen. Ein paar Wölkchen am Himmel, sonst steht einem heißen Sommertag nichts im Weg.

Meine Reifen knirschen leise über den feinen Kies des Weges, der nun eine leichte Biegung macht und wieder im dichten Wald verschwindet. Ein Specht klopft energisch an einen Baumstamm, die leichte Brise bringt die Bäume zum Wispern. Immer wieder schaue ich gespannt nach rechts und links ins dichte Unterholz. Immerhin soll es schon über 10 Wolfsrudel in der Lausitz geben. Auch wenn die Chance, die scheuen Tiere zu Gesicht zu bekommen, verschwindend gering ist – man weiß ja nie. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich in dieser einsamen Gegend ausprobieren möchte, wer mutiger ist…

Die Sonne blendet als der Weg wieder auf die nächste Lichtung führt. Mein Herz stockt kurz als es rechts von mir raschelt. Aber „nur“ ein Reh, das wohl genauso erschrocken ist wie ich ist und nun durch das hohe Gras Richtung schützende Bäume verschwindet. Nur die weiße Blume auf seinem Hintern blitzt noch ein paar Mal auf.

Dann höre ich hinter mir Stimmen und plötzlich bin ich von sechs Radlern eingekreist. Haben wohl den gleichen Weg wie ich, wie sich im Gespräch herausstellt. Männer-Clique, die einmal im Jahr gemeinsam ein paar Tage auf Radtour geht. Circa in meinem Alter, ganz fit und halten locker mit mir mit. Ganz kurz überlege ich mir, wie meine Chancen wohl ständen, wenn mir die Typen nicht wohlgesonnen wären. So schnell wäre da keine Hilfe in der Nähe, bis zum nächsten Ort sind es noch locker 30 Kilometer durch unbewohnte Gegend… Aber sie wollen nur ein bisschen plaudern und zwei versuchen sogar, mit mir anzubandeln. Eh ganz witzig und unterhaltsam.

Nach gut einer Stunde gemeinsamen Radelns täusche ich dann ein menschliches Bedürfnis als Ausrede vor, um die Gruppe wieder loszuwerden. Ein paar Minuten hört man noch ein paar Wortfetzen durch die Bäume. Dann ist es still. Ich bin wieder alleine mit dem Rauschen des Windes und den Wölfen.

(Deutschland, August 2010)

 

Am grünen Band

06 Donnerstag Jul 2017

Posted by Kalinka Maier in Am Fahrrad

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Deutschland

Ab und zu quakt ein Frosch, die Grillen zirpen verhalten und dann und wann hört man das Rauschen eines Autos von der nahen Landstraße. Gerade ist die Nachbarin vom Nebenhaus mit ihrem Kläffer vorbei, der sich fast in der Leine erwürgt hat. Nun wieder Ruhe. Der Regen, der mich auf den letzten Kilometern erwischt hat, hat noch einen Regenbogen an den Himmel gezaubert bevor er weiter gezogen ist. Mit ihm hat sich auch der Wind zur Ruhe gelegt.

Fast 10 Uhr abends und immer noch hell. Ich sitze im verlassenen Gastgarten von dem Landgasthof, in dem ich heute übernachten werde. Sieht so aus, als wäre ich der einzige Gast. Die Dame, die mich noch in Empfang genommen hat, hat die Gaststube nachher zugesperrt und ist nun auch verschwunden. Ein Bier habe ich noch bekommen.  Abendessen besteht heute aus Nüssen und Crackern. Wer zu spät kommt, hat in dieser Gegend das Nachsehen….

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„Das grüne Band“ wird der Radweg entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs quer durch Europa auch genannt. Und grün ist dieses Gebiet auf jeden Fall hier zwischen Bayern und Thüringen: einsame Waldwege, oft durch Naturschutzgebiet, ruhige Landstraßen schlängeln sich durch Hügel mit Feldern, Wiesen und Wäldern. Dazwischen kleine Dörfchen, jedes mit einem schmucken Kirchturm, der schon von weitem zwischen den Hügeln zu erkennen ist. Und viele, viele Fachwerkhäuser, alle wunderschön restauriert. Dazu noch nette Menschen: die wenigen, denen man begegnet, grüßen alle freundlich.

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Doch vorherrschend ist die Natur: jede Menge Singvögel, die kurz vor mir erschreckt aufflattern, Greifvögel, die ihre Runden über den Felder ziehen, die bunten Wiesen werden von einer Vielzahl von unterschiedlichen Schmetterlingen bevölkert, die mich manchmal flatternd begleiten oder auch einfach rammen. Ab und kreuzt ein Eichhörnchen meinen Weg und verschwindet wieder in luftigen Höhen. Ein Reh mit Kitz schaut vom Waldrand herüber. Dazwischen erinnern Reste der Grenzanlagen oder ein Wachturm daran, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass man sich in diesem Gebiet nicht frei bewegen konnte und die Dörfer hinter dem nächsten Hügel unerreichbar waren.

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Viel zu viele Ablenkungen entlang der Radroute. Und dann war da noch der Badesee am Weg, in dem ich mich abkühlen musste… Und am Schluss haben mich noch die Hügel ausgebremst – und plötzlich war es schon 20 Uhr.

Der Mond schaut nun zwischen den Wolken hervor, schon fast ganz rund. Mein Bier ist so gut wie leer, der Magen beschwert sich über das magere Abendessen nach den vielen Kilometern. Zeit fürs Bett und einen weiteren Tag entlang des grünen Bandes.

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(Deutschland, Juli 2017)

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