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Ich öffne die Augen. Rundherum ist es stockdunkel, aber irgendein Geräusch hat mich geweckt. Jetzt höre ich wieder ein leises Rascheln und dann etwas lauter ein Knurren. Mein Herz klopft und ich überlege kurz, ob es hier doch Bären geben könnte. Nein, das kann nicht sein, so weit im Süden an der kalifornischen Küste. Aber irgendetwas oder jemand bewegt sich vor meinem Zelt und rüttelt nun an dem Holzkasten, in dem ich vorsorglich alle meine essbaren Vorräte verstaut habe.
Aus dem Nebenzelt höre ich Paul und seinen kanadischen Freund, die ich gestern Abend noch getroffen habe, schnarchen. Hier ist also vorläufig keine Hilfe zu erwarten. Ansonsten ist es still auf dem kleinen Campingplatz, nur der Wind rauscht durch die Bäume.
Ich suche meine Taschenlampe und ertaste das Schweizermesser, das ich immer unter dem Kopfteil meines Schlafsacks deponiere. Soll ich nachsehen, was sich da vor meinem Zelt herumtreibt? Ein neuerliches Knurren und ich verwerfe diesen Plan gleich wieder. Nichts wird mich da jetzt freiwillig raus kriegen.
Mittlerweile scheint mein Besuch zu zweit zu sein und sich um irgendwas zu streiten. Die Tür des Holzschranks klappert, man hört Plastik rascheln und schließlich reißen. Fieberhaft überlege ich, was da draußen wohl los sein könnte. Wenn wenigstens der Mond scheinen würde, dann könnte man zumindest Umrisse erkennen. Das Fauchen und Knurren wird lauter und klingt nun richtig boshaft. Direkt neben meinem Kopf. Ich verkrieche mich tiefer in den Schlafsack, in der kindischen Hoffnung, dass sich dadurch das Problem löst. Leider scheint das die nächtlichen Störenfriede nur noch zu bestärken: es klingt nun, als würde das Holz mit Füßen und Zähnen attackiert und noch mehr Plastik scheint Opfer der Angreifer zu werden.
Plötzlich höre ich es aus dem Nebenzelt fluchen und gleich darauf Pauls Stimme, wie er aus dem Zelt kommt, etwas von Racoons murmelt und die Angreifer vertreibt. Leider zu spät für meine Melone, wie ich am nächsten Morgen feststelle: die haben die Waschbären irgendwie aus der verschlossenen Holzbox herausbekommen und zur Gänze vertilgt.
(USA, Oktober 1995)