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Fasziniert beobachte ich, wie wir von der Wasserfläche abheben und die wenigen Häuser von Salmon King immer kleiner werden. Das Geräusch der Propeller in der kleinen Flugkabine ist mittlerweile ohrenbetäubend. Aber der Pilot vor mir scheint noch ganz entspannt, also wird das wohl der normale Fluglärm zu sein. Fünf Passagiere und der Pilot, mehr haben nicht Platz in dem kleinen Flieger. Nicht mal Handgepäck, nur die Kamera durften wir mitnehmen.
Sowohl Gepäck als auch Passagiere wurden in dem kleinen Gebäude des Miniflughafens vor dem Abflug gewogen und dann auf zwei Wasserflugzeuge aufgeteilt, die schon am Holzsteg des Flusses auf uns warteten. In dem Größeren von beiden, das vor uns startete, ist auch unser ganzes Gepäck und der Rest der Gruppe.
Das Wetter beschert uns heute einen strahlend blauen Himmel, der sich über die einzigartige Landschaft unter uns spannt: die Tannen sehen aus wie kleine Zündhölzer, dazwischen immer wieder größere und kleinere Seen, von denen einige in tiefem Türkis leuchten. Das Band des Brooks River schlängelt sich durch die sanften, waldigen Hügel und leuchtet wie Silber in der Sonne. Ganz klein sieht man unten die Schotterstraße, auf der ein einsamer Bus eine Staubwolke hinter sich herzieht. Auf der anderen Seite taucht die Vulkankette des Valleys of 10.000 Smokes auf. Schneebedeckte Gipfel ragen über dem goldbraunen Tal auf, das vor fast 100 Jahren durch einen Vulkanausbruch entstanden ist, der alles unter Lava Asche begrub. Alle Brauntöne sind auf der kahlen Fläche vertreten, die von tiefen Canyons durchzogen ist.
Kurz bevor die grünen Hügel in die kahle Wüste übergehen liegt unter uns ein kleiner, einsamer See, auf die unser Pilot nun zusteuert. In den Propellerlärm mischt sich noch ein hohes Surren und ich kann das andere Flugzeug erkennen, das schon am Ufer des Sees liegt. Kleine Ameisen stehen im Wasser und befördern in einer Menschenschlange das Gepäck ans Ufer. Unter unserer Kufen spritzt das Wasser auf und wir gleiten Richtung Ufer. Nun erschließt sich mir auch, warum unser Pilot Gummistiefel bis zu den Hüften trägt: er steigt ins Wasser und zieht das kleine Flugzeug die letzten Meter Richtung Ufer.
Nun heißt es, raus aus Schuhen und Socken und durchs kalte Wasser bis zu den anderen waten. Dabei Schuhe und Kamera in je einer Hand balancierend. Der Boden am Ufer ist weich und feucht und man sinkt bei jedem Schritt über Moose und Gräser wieder im Wasser ein. Ein feiner, natürlicher Teppich – allerdings ziemlich frostig.
Es geht steil durch das Gestrüpp am Hang hinauf, bis zu einer kleinen Lichtung, wo jeder sein Gepäck zusammensucht und die kalten Füße wieder in Socken und Schuhe zwängt. Es dauert eine Zeitlang, bis alle Zelt, Schlafsack und Proviant für die nächsten drei Tage am Rucksack verschnürt haben. Inzwischen heben die Flugzeuge wieder ab und verschwinden am Horizont. Abholen werden sie uns nicht mehr, weil der See zu klein ist, um mit voll besetztem Flieger zu starten.
Es wird still um uns herum. Noch ein Sandwich vertilgt und kurz die warmen Strahlen der Sonne genossen, dann marschieren wir los durch die weglose Wildnis Richtung Valley of 10.000 Smokes.
(Alaska, September 2015)