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Während ich mich bemühe, auf der steilen, abschüssigen Piste beim Bremsen nicht über meinen Lenker abzusteigen und zwischen den Schlaglöchern noch eine Hand zum Winken frei zu bekommen, suche ich in meinem Hirn fieberhaft nach dem Wort für Hallo in Ruanda. „Komera!“ schallt es von rechts. Ach ja, das war’s. Ich hebe kurz meine Hand, um den kleinen Jungen, der begeistert neben mir her läuft, auch mit einem „Komera!“ zu begrüßen – das zugegebenermaßen etwas zerquetscht klingt, da ich einem tiefen Schlagloch ausweichen muss und gerade noch das Vorderrad wieder in den Griff bekomme – dankbar für die dicken Reifen und die gute Federung.

fahrradbusSchon gestern, auf der Fahrt zu unserem Startpunkt, haben die glänzenden Mountain Bikes auf dem Autodach alle Blicke auf sich gezogen. Die Menschen am Straßenrand blieben stehen und ihr Blick wanderte nach oben – wie magisch angezogen von dem blitzenden Metall und den wuchtigen Reifen. Einige Kinder standen mit großen Augen und offenem Mund fast wie versteinert, um dann dem Bus hinterher zu rennen sobald er vorbei war.

Zu Mittag stoppten wir und begannen mit dem Abladen der Räder. Sofort bildete sich ein kleines Grüppchen, das uns schweigsam beobachtete: ein paar Jungen mit selbstgebastelten Fahrrädern aus Holz, eine Frau mit zwei Ziegen am Seil, zwei Mädchen mit Wasserkanistern auf dem Kopf und ein paar ältere Herren. Schon etwas gewöhnungsbedürftig, so viele Zuschauer bei unserem Lunch aus Sandwiches mit Käse und Avocado zu haben.

Seit heute Morgen sind wir nun wieder mit unseren Rädern durch die grünen Hügel auf der holprigen Straße unterwegs. Der feine, rotbraune Staub klebt mittlerweile an Armen, Beinen und im Gesicht. Überall erregen wir Aufsehen: in den Dörfern heben die Frauen vor den kleinen Steinhütten den Kopf von ihrer Arbeit und winken uns zu. Die Kinder kommen zwischen den Häusern angerannt: „Muzungu! Muzungu!“ – das Wort für weißer Mensch oder auch Reisender – und hüpfen vor lauter Begeisterung auf und ab. Zwei trauen sich weiter vor und recken uns ihre kleinen Hände entgegen, damit wir einschlagen. Ein riesiges Heubüschel, aus dem zwei kurze Beine ragen, dreht sich zu mir und eine kleine Hand winkt daraus hervor: „Komera!“.

Die jungen Burschen schlendern die Straße entlang, ganz cool, heben nur lässig die Hand und nicken. Ich fahre langsamer, näher an ein paar Vier- bis Fünfjährige, die aufgeregt auf und ab springen und „Muzungu, Muzungu!“ im Chor singen. Als ich ihnen die Hand entgegenstrecke, reichen sie mir vorsichtig ihre und verstecken sich dann gleich wieder in der schützenden Gruppe.

Links über mir höre ich Gelächter: am Hang sitzt eine kleine Menschenmenge, deutet auf uns, gestikuliert wild und unterhält sich angeregt. Einer zückt sogar sein Handy und macht Fotos von uns. „Do they think we are crazy?“, frage ich unseren Guide. „They are getting used to it.“ ist die diplomatische Antwort.

kinder

Ich trete den nächsten Hang hinauf, zwei Buben laufen neben mir her und schieben mich von hinten an – großer Spaß für sie. Ein anderer betastet vorsichtig meine breiten Reifen. Abwärts geht es wieder über Stock und Stein, von links kommt ein klappriges Fahrrad beladen mit einer schweren Bananenstaude und überholt mich.

Selbst durch die Felder tönt es alle paar Meter zwischen den Bäumen und Sträuchern „Muzungu!“ oder auch ein „Good morning!“, hier wohl die englische Begrüßung für den ganzen Tag. Ich merke, wie ich die ganze Zeit schon ein Lächeln auf den Lippen habe, so ansteckend ist die Begeisterung. Ein junges Mädchen steht am Straßenrand, ein Bündel Brennholz auf dem Kopf, schaut mich ernst an, ganz gebannt. Mein „Komera“ zaubert ein schüchternes Lachen in ihr Gesicht und sie hebt die Hand und strahlt mich an.

geschwister

(Ruanda, Dezember 2016)