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Schon seit gut einer Stunde bin ich auf dem einsamen Feldweg unterwegs. Keine Menschenseele, keine Häuser oder sonstige Anzeichen von Zivilisation weit und breit. Rechts und links wechseln sich bunte Wiesen mit dichtem Wald ab. Die Sonne steht noch nicht hoch am Himmel, ein paar Nebelreste liegen über den Gräsern, werden sich aber wohl bald in den Strahlen der August-Sonne auflösen. Ein paar Wölkchen am Himmel, sonst steht einem heißen Sommertag nichts im Weg.

Meine Reifen knirschen leise über den feinen Kies des Weges, der nun eine leichte Biegung macht und wieder im dichten Wald verschwindet. Ein Specht klopft energisch an einen Baumstamm, die leichte Brise bringt die Bäume zum Wispern. Immer wieder schaue ich gespannt nach rechts und links ins dichte Unterholz. Immerhin soll es schon über 10 Wolfsrudel in der Lausitz geben. Auch wenn die Chance, die scheuen Tiere zu Gesicht zu bekommen, verschwindend gering ist – man weiß ja nie. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich in dieser einsamen Gegend ausprobieren möchte, wer mutiger ist…

Die Sonne blendet als der Weg wieder auf die nächste Lichtung führt. Mein Herz stockt kurz als es rechts von mir raschelt. Aber „nur“ ein Reh, das wohl genauso erschrocken ist wie ich ist und nun durch das hohe Gras Richtung schützende Bäume verschwindet. Nur die weiße Blume auf seinem Hintern blitzt noch ein paar Mal auf.

Dann höre ich hinter mir Stimmen und plötzlich bin ich von sechs Radlern eingekreist. Haben wohl den gleichen Weg wie ich, wie sich im Gespräch herausstellt. Männer-Clique, die einmal im Jahr gemeinsam ein paar Tage auf Radtour geht. Circa in meinem Alter, ganz fit und halten locker mit mir mit. Ganz kurz überlege ich mir, wie meine Chancen wohl ständen, wenn mir die Typen nicht wohlgesonnen wären. So schnell wäre da keine Hilfe in der Nähe, bis zum nächsten Ort sind es noch locker 30 Kilometer durch unbewohnte Gegend… Aber sie wollen nur ein bisschen plaudern und zwei versuchen sogar, mit mir anzubandeln. Eh ganz witzig und unterhaltsam.

Nach gut einer Stunde gemeinsamen Radelns täusche ich dann ein menschliches Bedürfnis als Ausrede vor, um die Gruppe wieder loszuwerden. Ein paar Minuten hört man noch ein paar Wortfetzen durch die Bäume. Dann ist es still. Ich bin wieder alleine mit dem Rauschen des Windes und den Wölfen.

(Deutschland, August 2010)