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Die ersten Regentropfen wecken mich und ich schiebe mein Bett, das praktischerweise auf Rollen steht, unter das schützende Zeltdach. Mit einem heißen Kaffee kuschele ich mich wieder in das warme Bettzeug und genieße die Aussicht und den erwachenden Tag. Vor mir erstreckt sich eine steinige Ebene, an deren Ende schon die Sonne über die Bergkette schaut. Es ist immer noch bewölkt und der Horizont verschwimmt im diffusen Licht.

Gestern hat mich noch kurz vor dem Einschlafen das Geheul der Kojoten wach gehalten. Ein paar Sterne waren durch die Wolkenlöcher zu erkennen und ab und zu erhellte ein ferner Blitz das Bergpanorama. Um 2:30 weckt mich dann – wie schon in der Nacht davor – Vogelzwitschern. Keine Ahnung, warum die hier schon in stockdunkler Nacht loslegen. Vielleicht ist es ihnen tagsüber einfach viel zu heiß.

Ein paar Tropfen landen auf meinen Zehen und ich rutsche etwas tiefer unter die flauschige Decke. Regen ist eigentlich das Letzte, das ich in der ältesten Wüste dieses Planeten erwartet hätte. Schon gar nicht in dieser knochentrockenen und ausgedörrten Gegend, in der nur Steine zu wachsen scheinen. Dafür aber in allen Formen, Farben und Größen.

Das quakende Rufen der Trappen klingt herüber. Ihr Gefieder ist so gut an diese Landschaft angepasst, dass man sie immer nur hört, aber nie wirklich sieht. Schwer reiße ich mich los von der weiten und friedlichen Landschaft, könnte stundenlang in die Ferne schauen und die Sonne bei ihrer Reise über den Horizont begleiten.

Kurz nach 9 Uhr brechen wir auf, nach einem Frühstück in den wärmenden Sonnenstrahlen. Vorbei an Gebirgen, die schon Pantoffel aus Sand haben. Die Sandwüste rückt näher, getrieben von Wind und Wetter.

Und dann geht es nicht mehr weiter: die holprige Piste vor uns verschwindet in einer reißenden Flut. Das Bett des Tsauchab-Flusses ist gut gefüllt und das Wasser steht viel zu hoch für unseren Bus. Das letzte Mal war hier anscheinend vor fünf Jahren Wasser zu sehen. Gestern noch standen wir am Grund des 30 Meter tiefen Sesriem-Canyon, der vom Tsauchab gegraben wurde. Heute würden wir wohl nur staunend an seinem Rand stehen und auf schäumende Wellen schauen.

Knappe zwei Stunden warten wir, bis das Wasser so weit gesunken ist, dass wir eine Fahrt durch den Fluss wagen können. In der Zwischenzeit nutze ich die Gelegenheit, entledige mich Schuhen und Strümpfen und wage einige Schritte in die braune Brühe. Angenehme Temperatur, aber beeindruckende Strömung. Aber wer kann schon von sich sagen, dass er bis zu den Knien in einem Wüstenfluss gewatet ist, der sich nur alle fünf Jahre blicken lässt 😉

(Namibia, Dezember 2020)