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Der Weg führt über heißen Sand, rechts und links ein paar ausgedörrte Bäume. Plastik und Papier liegen herum und werden vom noch schwachen Wind weitergetragen. Hinter einem Dornbusch schauen ein paar Kinder neugierig zu uns herüber. Verschwinden aber gleich als ich ihnen zuwinke. Die ersten runden Hütten mit Strohdächern tauchen vor uns auf. Einige Frauen in Lendenschurz sitzen davor. Prachtvolle Ketten schmücken ihre Hälse.




Eine von ihnen kommt uns entgegen, als sie uns entdeckt. Der blaue Mund-Nasen-Schutz baumelt irgendwo zwischen Nase und Hals. Im kargen Schatten eines Baumes erklärt sie uns in ihrer Sprache die Bedeutung des Schmucks und ihrer Haartracht. Unser Guide übersetzt ins Englische. Halsketten und ein Stück Leder in den sorgfältig aus Lehm geformten Zöpfen geben Auskunft über Heirat und Kinder. Während sie die Maske kurz über die Nase zieht, erklärt sie, dass die vielen Reifen um die Fußgelenke nicht nur Zierde sind, sondern auch ein Schutz gegen Schlangen.



Weitere Frauen stellen sich vor uns auf, um die unterschiedlichen Varianten von Körperschmuck zu illustrieren. Ich ertappe mich dabei, wie ich auf die wohlgeformten, nackten Brüste der Mädchen starre. Wunderschön sind sie anzuschauen mit ihren Ketten und dem Haarschmuck. Nachdenkliche und ernste Gesichter. Ab und zu ein Lächeln. Auch sie tragen Masken.
Wir sind ein paar der wenigen Touristen, die in den letzten Monaten ihr Dorf besucht haben. Denn schon fast ein Jahr wird die Welt von einem kleinen Virus in Schach gehalten. Und der macht auch nicht vor den letzten Naturvölkern Namibias Halt. Alleine das Ausbleiben der Touristen nimmt ihnen ihre Existenzgrundlage – sind sie doch in diesem Dorf die einzige Einkommensquelle. Der Rindergral ist leer. Sonst ein Zeichen von Reichtum bei den Himba.
Sie fragen, wie es denn aussieht mit dem Virus. Ist es noch da? Gibt es schon eine Impfung? Doch wann wird diese auch bei den Ärmsten in Afrika ankommen?
Wie muss man sich fühlen, wenn man halbnackt vor schwitzenden Touristen steht? Die die Kamera zücken und oft unverhohlen auf die Blößen starren? In der Hoffnung, dass sie etwas kaufen oder eine Spende dalassen?


Zum Abschluss stehen sie alle im Halbkreis und tanzen und singen für uns. Vor ihnen steht eine kleine Schale, in die wir Geldscheine legen. Es soll fröhlich klingen, hinter den Masken versucht hie und da ein Lächeln zu entwischen. Aber es gelingt nicht, die Melancholie zu vertreiben, die über dem Ganzen liegt.
(Namibia, Dezember 2020)