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Schon am zweiten Tag sind sie mir aufgefallen: ihr lautes Zwitschern, das aus dem Baum kam, das Flattern von kleinen Flügeln zwischen den Blättern. Gelbe Federbällchen mit schwarzem Kopf, in dem wache, rote Augen sitzen: Maskenweber. Aufgeregt hüpfen sie auf den Zweigen auf und ab, breiten ihre Flügel aus, machen sich groß: „Hier bin ich! Hier bin ich! Schau, was ich Schönes für dich gebaut habe!“

Kurzer Blick in die Runde: ist sie noch da, die Angebetete? Schenkt sie ihm Aufmerksamkeit oder straft sie ihn mit Ignoranz? Vielleicht ist das neue Heim noch nicht perfekt genug? Dort an der unteren Ecke, dort könnte man noch frisches Grün einflechten.

Und schon macht er sich auf die Suche zur nächsten Palme, zupft kräftig am Rand eines Blattes und trennt fachkundig einen langen, dünnen Streifen ab. Unter waghalsigen Verrenkungen wird das neue Material am Haus angebracht. Routiniert der grüne Halm mit den bestehenden verflochten.

Jetzt muss es aber passen. Flügelschlagen, auf und ab hüpfen, lautes Rufen. Da, sie schaut ganz zufällig zu ihm hinüber! Er rückt ein Stück näher, flattert zwischen ihr und dem neuen Häuschen hin und her: „Magst du es nicht testen? Extra für dich erbaut. Groß und geräumig für dich und unseren Nachwuchs.“

Und wirklich, sie kommt näher, beäugt skeptisch sein Kunstwerk. Schlüpft zur Probe hinein und macht es sich bequem. Aufgeregt zitternd sitzt er daneben und schaut zu. Hofft, dass es dieses Mal ihren hohen Ansprüchen genügt. Sie dreht den Kopf, zupft mal hier, mal da. Prüft die Stabilität. Ist der Eingang auch an der richtigen Stelle? Bietet das Nest genug Schutz vor Schlangen? Hat er auch wirklich alle Blätter vom Ast entfernt? Ist das Haus des Nachbarn vielleicht schöner?

Da! Sie schüttelt unwillig den Kopf und beginnt, mit dem Schnabel sein Werk zu zerfleddern.

Der kleine Baumeister sackt in sich zusammen. Wieder nichts! Schon der dritte Versuch und noch immer ist die Auserwählte nicht zufrieden mit seinen Bemühungen. Fünf Tage Arbeit umsonst. Dabei war er sich sicher, dass es dieses Mal klappt.

Aber schon ist er auf der Suche nach einer neuen, geeigneten Stelle. Vielleicht der Ast dort drüben? Der liegt schön im Schatten und hoch genug. Vielleicht kann er ja etwas von dem alten Baumaterial wiederverwerten? Wenigstens die grünen Teile? In Windeseile hat er die Basis für das nächste Heim geschaffen. Dieses Mal muss es passen…

(Namibia, Dezember 2020)