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Ruhig gleitet der Einbaum durch den schmalen Kanal, rechts und links erhebt sich mannshoher Papyrus. Die Mittagssonne brennt erbarmungslos auf uns herunter, kaum ein Lufthauch, der etwas Kühlung bringen könnte. Die Stille wird nur durch das Geplauder unserer Chauffeure unterbrochen, begleitet vom leisen Plätschern beim Eintauchen der langen Stangen ins Wasser, mit der die Boote vorwärts bewegt werden.

Ab und zu streckt eine Seerose ihre Blüte aus dem Wasser: weiß und lila leuchten sie über dem dunklen Nass. Zwei Elefanten stehen nahe am Ufer und futtern geräuschvoll das hohe Gras. Gut, dass sie nicht gerade in unserer Schneise stehen, sonst müssten wir wohl einen größeren Umweg machen.

So sind wir nach gut einer Stunde an unserem Lagerplatz angekommen, einer Insel mitten im Delta. Beim Entladen der Boote helfen alle mit: Zelte, Matratzen, Kochgeschirr, Wasserkanister und auch unser Gepäck müssen eine kleine Anhöhe hinauf getragen werden. Der Zeltaufbau in der brütenden Hitze ist wie immer schweißtreibend. Zu allem Überfluss ist mein Zelt plötzlich rechts und links von anderen Zelten umringt. Das ist mir eindeutig zu viel Nähe. Ich suche mir jemanden, der mit mir das Zelt auf einen anderen Platz trägt. Hier gibt es zwar mehr Sonne, aber tagsüber halte ich es sowieso nicht im heißen Zelt aus und dafür bin ich nachts vor störenden Schnarchern sicher.

Zum Schluss noch die Anweisungen vom Guide: Das Zelt immer gut schließen, da Ameisen, Schlangen oder Ratten sonst ungebetene Gäste sein könnten. Und keine Wanderungen auf eigene Faust zu weit vom Lager weg: „Elephants can be just around the corner.“

Einige Stunden später besucht uns dann wirklich eine Elefantenfamilie, um sich im Fluss abzukühlen und zu trinken. Ein schönes und aufregendes Gefühl, die Dickhäuter so nahe und ohne das schützende Blech eines Autos zu beobachten.

Gegen Abend geht es noch mal in die Boote. Im Vorbeigleiten entdecken wir am Ufer zwei alte Büffel, deren Gesichter von den Jahren schon ganz weiß sind. Fast wie in Stein gemeißelt wirken ihre stoischen Züge.

Dann weitet sich der Kanal und wir hören schon das Prusten der Nilpferde, die sich hier wohl niedergelassen haben. Wir halten uns dicht am Ufer und ich muss den langen, etwas störrischen Grashalmen ausweichen. Der Guide macht mich auf einen gefleckten Mini-Frosch aufmerksam, der an einem der Gräser zu kleben scheint: ein Glockenfrosch, der seinen Namen von seinem glockenhellen Gesang hat, den er in der Dämmerung anstimmt.

Mittlerweile liegt unser Boot Aug‘ in Aug‘ mit den Hippos, die vor uns im Wasser stehen. Nur einige Meter trennen uns. Kleine Ohren zwischen denen uns zwei Augen argwöhnisch beobachten. So ganz geheuer ist mir das nicht. Habe ich doch schon erlebt, wie schnell diese großen Tiere sein können. Besonders eines schaut schon halb aus dem Wasser und scheint mir mit seinem Blick zu sagen: „Ich sehe ganz genau, was du tust.“ Doch heute bleibt es beim gegenseitigen Abschätzen und Beobachten.

Die goldgelbe Scheibe der Sonne nähert sich schon dem Horizont als wir unseren Rückweg antreten. Tiefrot ist der Himmel, davor zeichnen sich die Silhouetten der Bäume ab. Nun beginnt auch das Konzert der kleinen Frösche. Erst hört man nur ein paar vereinzelt, dann stimmen immer mehr ihre Glockentöne an.

Später sitzen wir um das Feuer, hören unserem Guide zu, der von den umständlichen und langwierigen lokalen Ritualen der Hochzeit erzählt. Wo der Schein der Flammen nicht mehr hinreicht, beginnt die Dunkelheit. Die Bäume werfen lange und flackernde Schatten.

Ich gehe noch mal runter zum Wasser. Sternenklare Nacht, schwarz schimmert der Fluss. Zwischen den Gräsern bewegen sich kleine helle Punkte: Glühwürmchen sind auf der Suche nach Liebe. Das Prusten eines Nilpferds mischt sich in die Rufe der Glockenfrösche. Die Luft ist immer noch warm und hüllt einen in ihre Schwüle. Unwirklich und doch intensiv.

Unnatürlich laut erscheint mir das Surren des Reißverschlusses, als ich mein Zelt fest verschließe. Der Schlafsack wartet schon und morgen vor Sonnenaufgang startet der nächste Tag im Okawango Delta.

(Botswana, Oktober 2022)